Inhaltlich war es aber eher eine "Rede an die Nation", bei der Bildungspolitik und die Ortstafelfrage im Mittelpunkt standen.

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Wien - Im Festsaal der Wiener Wirtschaftsuniversität überwogen am Donnerstagvormittag die graumelierten Köpfe, auch wenn Außenminister Michael Spindelegger die Studierenden besonders begrüßte. Seine Rede zu Österreich und Europa, "Liebe auf den zweiten Blick?", nutzte er vor allem, um sich als Innenpolitiker zu positionieren, europapolitische Visionen waren nur zum Thema Erweiterung zu hören. "Bis 2020 werden wir alle Westbalkanstaaten in die EU aufnehmen" , zeigte sich Spindelegger überzeugt. Und stützte sich auf primär wirtschaftliche Argumente: Wohlstand bei den Nachbarn bringe Wachstum in Österreich.

Davor hatte Spindelegger bereits detailreich die Erfolge der österreichischen Wirtschaft in Osteuropa aufgezählt: "Wir haben gut daran getan, uns unser Ostengagement nicht madig machen zu lassen" , meinte er.

In Ansätzen hatte die Rede programmatischen Charakter. Spindelegger machte sich Gedanken zum "Rohstoff Bildung" , erklärte, dass er die Hauptschulen zu "Fünf-Stern-Hauptschulen" aufwerten wolle, weshalb "Zeitwertkonten" innovative Maßnahmen seien und befand, dass nicht nur Manager, sondern alle Mitarbeiter in erfolgreichen Unternehmen Boni bekommen sollen.

Von Europa oder der Liebe auf den zweiten Blick handelte seine Rede kaum, dafür versandte Spindelegger aber innenpolitische Botschaften. Erstens zu den Ortstafeln: Es stünde Österreich gut an, wenn heuer am Nationalfeiertag, 55 Jahre nach dem Staatsvertrag, die Erledigung der Frage vermeldet werden könnte. "Voraussetzung dafür ist freilich, dass der dafür zuständige Bundeskanzler bis zum Sommer einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet" , richtete der dafür nicht zuständige Außenminister Kanzler Werner Faymann aus.

Ansturm aus Deutschland

Zweitens Bildungspolitik: Der "Ansturm von Studenten aus Deutschland" schaffe massive Probleme an österreichischen Unis. Spindelegger stellte wieder in den Raum, dass die Absicherung der Wahlfreiheit - also die Quotenregelung für Österreicher - direkt in den EU-Verträgen überlegt werden müsse. Sehr deutlich sprach er sich für mehr Subsidiarität aus und stellte die "Regelungsdichte" Europas infrage: "Hat Europa schon gelernt, wieder loslassen zu können? Kompetenzen an die Mitgliedstaaten wieder zurückzugeben?" , fragte er rhetorisch und erwähnte auch eine mögliche Subsidiaritätsrüge.

Spindelegger kritisierte scharf, dass er und seine EU-Amtskollegen nicht mehr bei den Gipfeln der Staats- und Regierungschefs dabei sein sollen. Schließlich werde die EU-Politik "wesentlich im Außenministerium formuliert". (Adelheid Wölfl/DER STANDARD, Printausgabe, 22.1.2010)