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Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrronda!

Wenn die Gashand im Winter zuckt, bietet sich eine Fahrt durch Andalusien an.

Foto: Manfreds Motorradreisen

Der Korkenzieher lässt Augen glänzen. Nicht so, wie Sie es aus Langenlois oder Rust kennen. Hier geht es um Fahren, nicht Trinken. Der Korkenzieher liegt gleich hinter Málaga, Richtung Colmenar.

In zwei kompletten 360-Grad- Runden schraubt sich die A7000, zum Teil in Tunnelröhren, in die Berge hinter der Costa del Sol. Kurven ohne Ende. Worum's halt geht. Insbesondere bei der motorisierten Fortbewegung auf zwei Rädern. Solch grundlegende Bedürfnisse regen sich nicht nur im mitteleuropäischen Sommer, zwischen verregnetem Frühjahr und laubnasser Herbststraße.

Was also tun, wenn die Gashand im Winter zu heftig zuckt? Variante 1, für Unerschrockene: Elefantentreffen. Campieren im Schnee beim ältesten und größten Wintertreffen für Motorradfahrer in Loh bei Solla im Bayerischen Wald. Heuer von 29. bis 31. Jänner. Anreise per Moped, alles andere gilt als unsportlich. A propos.

Variante 2, für anders Vernunftbefreite: Yeti Race. Winterrennen am Pannoniaring, für Ostösis ein Heimspiel. Gemeinhin ein Festtag für Bastler und Schrotthändler.

Variante 3: Auch andere Länder haben schöne Kurven. Sehr schöne sogar. Andalusien zum Beispiel. Auch unter den nicht enden wollenden 720 Winkelgraden, in ebenso wenig enden wollenden Teilstücken des Kreises in Links-rechts-Kombination. Zum Beispiel von San Pedro de Alcantara hinauf nach Ronda. Sprich: Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrronda!

Dagegen können Preiner Gscheid, Höllental oder Kalte Kuchl einpacken, praktisch gleich in allen wesentlichen Disziplinen: Straßenbelag vorbildlich. Verkehrsaufkommen gegen null, sieht man von hoch ambitionierten Zweiradkollegen aus der Gegend an Samstagen ab. Panorama unerreicht. Und erst die Tapas in Ronda, gleich gegenüber von Spaniens ältester Stierkampfarena in der Fußgängerzone, die erste Bar nach der Unicaja links! Wenn der Nierengurt noch ein bisschen Platz für die baugleichen Teile aus dem Schwein lässt, hier mit weißem Speck auf kleinen Spießen.

Aber für Tapas oder einen saftigen Stierschwanz oder gar für die Alhambra nach Granada lassen sich halt nicht alle Teilnehmer einer Motorradreise begeistern. Wozu ließ man mitten im Winter die hochbeinige, die vollverkleidete, die tourentaugliche BMW mit dem Lkw durch Europa reisen? Genau: "Wir sind zum Fahren da!" Keine Sorge: Davon hält hier keiner ab.

Fette BMW braucht es nicht zwingend, um auf den vielfach gewundenen Tagestouren vom haftkräftigen Asphalt bis zur Erdundschotterpiste mitzuhalten: Manfred Cyran bleibt nötigenfalls auch mit seinem Drittgefährt, der gut zwanzigjährigen Yamaha XT 350, vorn, lange Geraden natürlich ausgenommen.

An Cyran vorbeizuziehen, wo man könnte, ergibt bei der Gruppenausfahrt aber ohnehin wenig Sinn: Er organisiert die Touren seit 1999, fortan praktisch ständig auf Achse zwischen Abruzzen und Marokko, zwischen Andalusien und Toskana, zwischen Istrien, Amalfiküste, Côte d'Azur. Er weiß, wo's langgeht. Wenn er nicht mit kreisendem linken Arm zum freien Brausen vorbeiwinkt, fährt man ihm am besten nach.

Das können natürlich bei acht bis zehn Teilnehmern nicht immer alle gleich. Gelegenheitspiloten wie Standard-Medienredakteure könnten auch auf schwerem Gerät sitzen und hielten doch die Partie mit lausiger Kurventechnik auf. Menschen aus dem Weinviertel wiederum mit seltsamen Spitznamen neigen zur Mensch und Maschine verformenden Kombination aus Ungeduld, Unvernunft und Vorwärtsdrang. Beide Extreme tendieren zur Horizontalen.

Dem einen fällt das Mopperl gelegentlich im Stehen um. Den anderen weht es dafür aus der Kurve, was die Partie in der Folge aber nicht weniger aufhält, bis der Lkw zum Abtransport von Mann und Moped herbeordert ist. Wer beide Extreme bei der Buchung abfragt (und meidet) und zudem keinen Jahrzehntwinter (Holiday on Ice!) erwischt, kommt hier auch im Jänner flott durch Kurven ohne Ende.

Über die engen Haken der Nebenstraße nach Castellar de la Frontera zum Beispiel, zur Burg der bestimmt nicht nur auf Kurvengeist hängengebliebenen Hippies. Durch die Korkeichenwälder um Grazalema, die Straße der weißen Dörfer, über den Taubenpass zum Geierschauen, und, und, und. Oder durch den Korkenzieher Richtung Colmenar. (Harald Fidler/DER STANDARD/Printausgabe/23.1.2010)