2001 gutachtete Josef Trappel (links) noch für den ORF in Sachen Digital-TV. Was ihn nicht hinderte, ORF-Mann Alexander Wrabetz zu widersprechen.

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STANDARD: Sie haben für die deutschen Medienanstalten ein System entwickelt, wie man die Auswirkungen von gebührenfinanzierten Onlinediensten auf den Wetttbewerb analysieren kann?

Trappel: Wir haben Kriterien entwickelt, wie man diese Auswirkungen auf den Markt messen kann. Wir halten vier Bereiche mit je drei Indikatoren für die wichtigsten. Dazu zählen zum Beispiel die Anzahl der Wettbewerber, die Ernsthaftigkeit, mit der die Wettbewerber ihr Geschäft betreiben und die Auswirkungen auf den Werbepreis. Je kleiner und spezialisierter das neue Online-Portal, desto größer sind generell die marktlichen Auswirkungen. 

STANDARD: Haben Sie ihr Modell an praktischen Beispielen ausprobiert?

Trappel: Keine konkreten Onlinedienste, das machen ja in Deutschland die Gutachter. Aber vier wir haben vier idealtypische Portale entwickelt: ein Fußballportal, ein Nachrichtenportal, ein Opernportal und eine Mediathek. Die Ergebnisse haben die Tauglichkeit des Modells bestätigt: Das Nachrichtenportal hat starke Auswirkungen auf den Markt. Wenn die ARD ein neues Newsportal startet, ist das ein Problem für spiegel.de, für focus.de. Ein Fußballportal wirkt ähnlich.

STANDARD: Oper entsprechend weniger. In Deutschland werden auch bestehende Angebote überprüft, in Österreich dürften nur neue Angebote getestet werden. 

Trappel: Ich bin von dem Konzept nicht voll überzeugt. Aber wenn man sich zu einem Public Value Test bekennt, dann muss man natürlich alle Angebote testen. Wenn man öffentlich-rechtliche Angebote von einem Test abhängig macht, muss man alle testen, und nicht nur die neuen.

STANDARD: Wovon sind Sie nicht voll überzeugt?

Trappel: Ich habe als Kommunikationswissenschafter fundamentale Bedenken: Online ist a) ein neues Medium und b) die Zukunft bestehender Medien. Wenn wir irgendjemanden, öffentlich oder privat, von seiner eigenen Zukunft abschneiden, schicken wir ihn ins Museum. Das halte ich für falsch. Alle Medien sollten legitimerweise Onlineaktivitäten betreiben können, die öffentlichen wie die privaten.

STANDARD: Die EU-Verfahren ergaben ja, dass öffentlich-rechtliche Sender online publizieren können. Oder meinen Sie: ohne Einschränkungen?

Trappel: Dieselben Kriterien, die im Fernsehen und im Radio gelten, sollten sinngemäß auch online angewendet werden. Wenn wir einen Konsens haben, dass es öffentlich-rechtliches Fernsehen braucht, und es gute Gründe dafür gibt, dann treffen diese Gründe genauso auf Online zu.

STANDARD: Welche guten Gründe?

Trappel: Zum Beispiel:Öffentlich-rechtliche Veranstalter als Qualitätsmesslatte. Wenn die öffentlichen bestimmte Leistungen sehr gut erbringen, müssen sich die privaten nach dieser Decke strecken. Für die Gesellschaft ist das ein Mehrwert. Im Internet ist die Situation ähnlich. Ich brauche auch dort eine Qualitätsmesslatte, und ich bin froh, wenn die Öffentlich-rechtlichen sie legen. Dann müssen sich alle anderen nach dieser Messlatte strecken.

STANDARD: Im EU-Verfahren läuft die Sache umgekehrt:Auf ORF.at werden strengere Kriterien angewendet als auf ORF 1. 

Trappel: Dort ist die Konkurrenz größer, das ist schon schlüssig. Die fundamentale Frage dahinter geht tiefer:Wollen wir im Internet einen Kommunikationsraum, wo alle mitmachen dürfen, und verfolgen wir dort Qualitätsansprüche, Als Kommunikationswissenschafter sage ich eindeutig:Das brauchen wir. Wenn ich sehe, was sich im Internet abspielt, und, dass sich immer mehr die Jugendliche in eben diesem Internet informieren: Dann führt das mittelfristig zu einem Problem. Die Information im Internet ist vergleichsweise schlecht ...

STANDARD: ...da muss ich natürlich widersprechen.

Trappel: Sagen wir so, es gibt pro Land grob ein oder zwei Online-Medien mit hoher Qualität, die sich finanzieren können. derStandard.at, spiegel.de, nzz.ch sind relativ gut, viele andere machen Billigjournalismus: Unausgebildete Journalisten in prekären Arbeitsverhältnissen mit wenig Zeit zur Recherche (die sie wieder nur im Internet verbringen), mit wenig Geld und mit wenig Ressourcen machen die Information für die nächste Generation. Ernsthafte politische Bildung entsteht durch solchen Journalismus nicht. Damit habe ich ein echtes Problem. Wir alle müssen ein Interesse daran haben, dass im Internet hohe Qualität produziert wird, und nicht nur billigerSchnellschuss- und Recycling-Journalismus.

STANDARD: Und Sie meinen, das könnten nur öffentlich-rechtliche Anstalten? 

Trappel: Eine Variante dafür ist das eingespielte System der Öffentlich-Rechtlichen.Vielleicht gibt es auch andere. (Harald Fidler/DER STANDARD, Printausgabe, 26.1.2010)