Geteiltes Leid, doppeltes Stirnrunzeln: Sherlock Holmes (Robert Downey Jr., li.) und sein treuer Partner Watson (Jude Law) in Guy Ritchies Neudeutung des Detektivs als Actionheld.

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Den comichaften Würgegriff von Regisseur Guy Ritchie übersteht jedoch nur Robert Downey Jr. unbeschadet.

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Wien - Kombinatorische Fähigkeiten werfen für neuere High-Concept-Filme zu wenig Schauwerte ab. Das bedeutet nicht, dass in Sherlock Holmes, der Rückkehr des weltberühmten Detektivs ins Kino, auf das Schaustück des Geistes ganz verzichtet wurde. Doch immer dann, wenn ihm ein paar Äußerlichkeiten genügen, um die rätselhaften Hintergründe einer Situation oder einer Person zu lösen, geschieht das in einer Geschwindigkeit, als gelte es, einen neuen Rekord aufzustellen.

Die Marotte ist symptomatisch für einen Relaunch, der aus Sir Arthur Conan Doyles genialem Detektiv des 19. Jahrhunderts einen modernen Superhelden macht. Basil Rathbone, der Holmes in den 1940er-Jahren gleich in 14 Abenteuern spielte, prägte die Rolle mit klassisch britischem Understatement. Wo dieser darum bemüht war, seine vielseitigen Fähigkeiten schmallippig zu verbergen, fällt der neue Holmes ständig durch seine Angebereien auf: Selbst wenn er jemanden verprügelt, klärt er uns hernach in Zeitlupenwiederholung wie ein Fußballkommentator auf, welche Hiebe er an welche Körperstelle mit welchem Effekt setzte.

Ironisierte Gewaltszenen wie diese kommen dem Briten Guy Ritchie durchaus entgegen, einem Regisseur, der sich mit der markigen, kraftmeierischen Aneignung von Gangsterfilmen allmählich in ein Eck gespielt hat, aus dem ihn nur der Gossip um seine Scheidung von Madonna wieder befreien konnte. Im Eiltempo hetzt er nun Holmes und seinen Partner Watson (Jude Law) durch ein neu geschriebenes hanebüchenes Szenario, in dem die Verbrechensfantasien eines James-Bond- auf den Hokuspokus eines Harry-Potter-Films treffen.

Wahnsinn und Vernunft

Holmes' Gegenspieler ist Lord Blackwood (Mark Strong), ein schwergewichtiger Bösewicht, der sich der schwarzen Magie verschworen hat und selbst von den Toten zurückzukehren vermag, um seine Weltbeherrschungspläne umzusetzen. Er bedient sich dabei eines komplizierten Verfahrens, verrätselt wie in The Da Vinci Code. Und nebenbei verfolgt er die Absicht, Holmes, den empirischen Wissenschafter, mit unerklärlichen Phänomenen in den Wahnsinn zu treiben.

Vernunft und ihre dunkle Gegenseite liegen bei ihm ohnehin nah beisammen: ein Verdienst von Robert Downey Jr., der sich in den letzten Jahren mit Zodiac, Tropic Thunder und in der Blockbuster-Abteilung mit der Comic-Adaption Iron Man (Teil zwei folgt noch dieses Jahr) zu einem Darsteller mit ähnlich unverwechselbarem Profil wie Johnnie Depp entwickelt hat. An die Eigenbrötler, die Letzterer vor allem unter Tim Burton gespielt hat, lehnt Downey Jr. nun auch seinen Detektiv an: immer am Experimentieren mit neuen Erfindungen, aber auch immer nah am jähen Absturz in die Depression. Wie er sich leicht tänzelnd, nie um ein Bonmot verlegen - er genießt es sichtlich, in gestelztem Britisch zu parlieren - und mit albernen Tricks hantierend durch den Plot bewegt, hat etwas von einer Vaudeville-Attraktion. Eine, die den ganzen Film zu tragen vermag.

Die verspielte Annäherung an ein in der Populärkultur längst verankertes Duo gelingt Ritchie im Vergleich mit der belanglosen zentralen Konfrontation recht gut. Jude Laws Watson steht zu seinem launenhaften Freund in inniger Beziehung, er pflegt ihn, wenn er sich wieder einmal gehen lässt und zu wenig wäscht - aber so nahe, wie manch einer im Vorfeld vermutet bzw. befürchtet hat, kommen sich die beiden nicht.

Wenig gäbe es gegen eine comichafte Überhöhung der Helden zu sagen, hätte man auch ihrer Welt und Fabel mehr Sorgfalt gewidmet. Wenn Holmes auf der noch unvollendeten Tower-Bridge auf ein digital animiertes historisches London blickt, sieht er aber bloß Attrappen, zu denen er keine Beziehung hat. Die schnöden Antriebe seiner Schöpfer würde er allerdings wohl ganz schnell durchschauen. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe, 27.01.2010)