Am Samstag in Wien: der kurdische Sänger Sivan Perwer

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Mit Andreas Felber sprach Perwer über das Verhältnis zur Türkei und sein "symphonisches" Wien-Konzert.

Wien - "34 Jahre sind eine lange Zeit", sagt Sivan Perwer. "Ich kann 34 Jahre des Exils nicht vergessen. Aber ich muss sie beiseite schieben, mir bewusst sein, was wichtig ist, was heute in der Türkei getan werden muss: Frieden und demokratische Grundrechte zu stärken." Es wäre ein Signal gewesen: Nachdem die türkische Regierung in der Umsetzung der Grundrechte für die kurdische Bevölkerung Fortschritte verbuchen konnte (u. a. Zulassung von Kurdisch-Unterricht in Privatschulen, Einführung kurdischsprachiger Sendungen bei TRT 3), mehrten sich zuletzt die Anzeichen, dass der berühmte Exilant in die Heimat zurückkehren könnte. Schließlich: Perwer ist von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mehrmals zur Rückkehr aufgefordert worden.

Die "Stimme Kurdistans" war 1976 nach Repressionen 21-jährig nach Deutschland emigriert. Seine Lieder, die die Unterdrückung thematisieren, waren verboten. Nun, beim Wien-Konzert, sollte der sensationelle Termin für einen Auftritt in Diyarbakir genannt werden, der wohl mehr als eine Million Menschen angezogen hätte. Das Verbot der gemäßigten Kurdenpartei DTP durch das türkische Verfassungsgericht, das einen herben Rückschlag für den Demokratisierungsprozess bedeutet, machte dies nun unmöglich.

"Das Verbot ist ein Schock. Die DTP war eine wichtige Kommunikationsplattform, eine Brücke zwischen Türken und Kurden. Sie hätte ein Teil der Lösung sein können", so Perwer. Dass das von seinem alten Freund Willi Resetarits moderierte Konzert nun dennoch stattfinden wird, hat mit dem Musikkonzept zu tun: Komponist Dalshad Said hat die Lieder Perwers für ein Symphonieorchester arrangiert. "Es ist nicht einfach, diese beiden Welten zusammenzubringen. Es braucht jemanden, der sowohl die vierteltönigen Maqam-Skalen als auch die Diatonik der westlichen Musik versteht", so Perwer, der auf die rege Vorberichterstattung in türkische Medien verweist - und darauf, dass zahlreiche prominente Mitglieder der Regierungspartei AKP wie auch der nun verbotenen DTP aus Ankara anreisen werden.

"Auf diese Weise bringen wir die verschiedenen Seiten zusammen, setzen ein Zeichen der Versöhnung. Nicht nur für die Türkei und Kurdistan. Denn: Die Welt ist ein Haus für uns alle. Wie der türkische Dichter Nazim Hikmet gesagt hat: 'Wir Menschen leben einzeln wie ein Baum, aber auch zusammen wie ein Wald'." Ob er den Annäherungsprozess zwischen Türken und Kurden nun nachhaltig beschädigt sieht? "Der Prozess ist nicht am Ende. Aber man muss eine Nachdenkpause einlegen, ein neues Projekt vorbereiten. Diese Frage kann nur mit Europa gelöst werden. Wenn die Türkei ein Teil Europas ist, wird es kein Problem mehr mit den türkischen Kurden geben. Es wird nicht wie im Baskenland sein - wo die meisten unabhängig sein wollen. Wir und die Türken können zusammenleben, wenn wir uns gegenseitig respektieren." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.1.2010)