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Bruchlandungen im Schnee: Pro 15.000 Abfahrten endet auf Österreichs Pisten eine im Spital

Foto: AP/Christof Stache

In der Unfallambulanz des Krankenhauses in Schwarzach/Pongau herrscht diese Woche Hochbetrieb. Keiner der Ärzte darf in den Semesterwochen auf Urlaub, die Operationssäle sind fast 24 Stunden in Betrieb, denn Rettung und Hubschrauber bringen ständig Verletzte aus den umgebenden Skigebieten ins Spital. Es gibt Stoßzeiten: Zwischen halb zwölf Uhr mittags und zwei Uhr nachmittags und dann wieder zwischen halb vier und vier Uhr am Nachmittag werden Knieverletzungen, Schienbeinkopfbrüche, Oberschenkelbrüche, Schulter- und Handverletzungen eingeliefert. Kopfverletzungen haben Priorität. "Dieses Jahr liegt verhältnismäßig wenig Schnee, die Pisten sind hart, und wir rechnen im Vergleich zu den Bänderzerrungen und -rissen mit sehr vielen Knochenbrüchen", sagt Franklin Genelin, Chef der Unfallchirurgie in Schwarzach.

Von den rund zehn Millionen Ski- und Snowboardfahrern verunglücken jedes Jahr rund 100.000 Personen, diese Zahl ist über die Jahre relativ stabil, auch Genelin beobachte in Schwarzach kaum Veränderungen, was die Anzahl der Verletzten und die Art der Verletzungen betrifft. "Im Vergleich zu Sportarten wie Reiten, Fußball oder Rodeln ist Skifahren ein vergleichsweise sicherer Sport, treffen kann es aber wirklich jeden, Kinder genauso wie Erwachsene, gute wie schlechte Skifahrer, Inländer wie Touristen aus dem Ausland", sagt Genelin. Die Faustregel: ein Verletzter pro 15.000 bis 20.000 Abfahrten, Skifahrer verletzten sich mehrheitlich an den Beinen, Snowboarder an Schulter- und Handgelenk. Oft seien Selbstüberschätzung der eigenen Fähigkeiten, mangelnde Kondition oder einfach nur Pech die Ursachen. "Vom Schreibtisch auf die Piste, das ist ganz besonders gefährlich", sagt der Unfallchirurg.

Helm hilft

Haben die Skihelme eine Verbesserung hinsichtlich der Verletzungen gebracht? "Sicherlich", sagt Genelin, vor allem würde das Fahren ohne Helm immer gefährlicher. Kommt es zu einem Zusammenstoß zwischen einem Helmträger und einem Nicht-helmträger, trägt Letzterer wesentlich schwerere Verletzungen davon. Die gute Nachricht: Bereits 50 Prozent aller Pistenbenützer sind mit Helm unterwegs.

"Wenn ein Skifahrer nach einem Unfall auf der Piste liegen bleibt, dann sind die anderen Pistenbenutzer verpflichtet, Hilfe zu leisten", sagt Reinhold Dörflinger, Präsident des Österreichischen Bergrettungsdienstes, und bedauert, dass die meisten Skifahrer die FIS-Regeln nicht verinnerlicht haben (siehe Wissen). 3800 Skipisteneinsätze fliegen die Hubschrauber pro Jahr, 2008 gab es fünf Tote. Die wichtigste Maßnahme, so Dörflinger, sei es, die Unfallstelle abzusichern und dann Hilfe zu holen. In allen österreichischen Skigebieten stellen die Betreiber der Seilbahnen die Pistenretter.

Peppi Probst ist seit vielen Jahren Pistenretter auf dem Arlberg, verfügt über eine erweiterte Erste-Hilfe-Ausbildung und ist derjenige, der die Schwere einer Verletzung als Erster einschätzt. "Bei Kopfverletzungen sind wir besonders alarmiert", sagt Probst. Ein Zeichen für eine Schädelverletzung ist es, wenn der Verletzte benommen ist und aus der Nase blutet.

Ob Verletzte dann - gut eingepackt und stabil in einer Vakuummatratze verpackt - im Akia zur Liftstation und von dort von der Rettung ins Krankenhaus gebracht werden oder mit dem Hubschrauber abtransportiert werden, hängt von der Schwere der Verletzung ab. Beurteilt wird nach dem sogenannten NACA-Schema Score, einem Beurteilungssystem der Notfallmedizin. "Ab NACA-3 (Anm.: Oberschenkelfraktur, NACA-2: Fraktur des Fingerknochens, NACA-1: Hautabschürfung) ist ein Einsatz des Rettungshubschraubers gerechtfertigt", sagt Dörflinger. Für den Einsatz des Hubschraubers sind aber Wetterbedingungen ("Ein Hubschrauber ist ein Sichtfluggerät") und der Unfallort entscheidend.

Achtung Hüttengaudi

Besonders gefährlich sind und bleiben Pistenabfahrten nach Einbruch der Dunkelheit. Zum einen sind in der Nacht die Pistenraupen unterwegs - sie sind mit ihren schweren Ketten eine enorme Gefahr für Ski- und Snowboardfahrer -, zum anderen ist es der Alkohol, der zu Selbstüberschätzung, Übermut und Muskelschwäche führt. "Wir auf dem Arlberg haben wenige Skihütten auf den Pisten, die nach Einbruch der Dunkelheit offen sind", sagt Pistenretter Probst. Er weiß: Oft endet die Hüttengaudi im Spital. (Karin Pollack, DER STANDARD, Printausgabe, 1.2.2010)