Die Unterwelt ist ein dubioses Heim, das von einem mysteriösen "Präsidenten" verwaltet wird. Claudio Magris, der Triestiner Weltreisende auf der steten Suche nach Mikrokosmen, beschreibt in Verstehen Sie mich bitte recht den Hades als eine nach strengen Regeln geführte Anstalt, in der die Insassen in schlierigem Dunkel einem gedämpften Dahinvegetieren ausgeliefert sind.
In Magris' charmanter Neudichtung des Mythos von Orpheus und Eurydike ist die Zeit der bedingungslosen Liebe vorbei: Orpheus, ein gutmütiger, aber eitler Dichterling, liebt vor allem sich selbst. Und Eurydike, an deren Liebe wir nicht zweifeln wollen und die in der Unterwelt lebt wie auf psychischer Wellness-Kur, hat es satt, sich um ihn wie eine Mutter zu kümmern, über seine Seitensprünge hinwegzusehen, seinen ermüdenden Ausschweifungen zu lauschen. Ermüdend wäre es, "wieder von vorn anzufangen, kochen, waschen, beischlafen, reden, einander falsch- und
missverstehen, alles wie immer ..."
Während diese Eurydike also ihrem Mann durch die Unterwelt entgegengeht, malt sie sich aus, wie enttäuscht er wäre, von ihr zu erfahren, dass es im Jenseits auch nicht anders zugeht als auf Erden. Ihr kommen Zweifel: Holt Orpheus sie hier raus, um sie zu retten - oder nicht doch, weil er draußen allein Angst hat? Isabella Pohl//ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 29./30.01.2010)