In und nach der Krise ist viel von Werten die Rede: Die Wirtschaft soll sich mehr an Werten orientieren, die Manager sowieso, und überhaupt würde es unserer Zeit und Gesellschaft an Werten mangeln. Viel Werte-Gerede. Was aber sind eigentlich Werte?

Werte sind Vorstellungen von Menschen und Gesellschaft, was im Leben „gut" und wünschenswert ist. „Werte sind (...) Vorstellungen über das Wünschenswerte und nicht Wünsche" sagt der Philosoph Hans Joas. Werte sind persönliche Einstellungen, Haltungen, Ideale, „Heiligtümer".

Das können personenbezogene Werte sein wie beruflicher Erfolg, Ansehen, Zufriedenheit, Autonomie. Das können die großen gesellschaftlichen Werte wie Freiheit, Gleichheit oder Gerechtigkeit sein. Oft drücken sich Werte auch durch Zugehörigkeit aus, zu einer Gruppe, Kirche, einer Partei, einem Verein.

Werte sind also etwas sehr persönliches, zugleich aber sind Werte gesellschaftlich entscheidend: Sie organisieren eine Gesellschaft und spiegeln wider, was ihr wichtig ist. Werte sind Hintergrundfolien für politische Entscheidungen, und der Grad ihrer Verbindlichkeit lässt auf die Integration einer Gesellschaft schließen.

Werte haben viel mit Ethik zu tun: Während es bei den Werten um das Wünschen geht, geht es der Ethik um das Sollen. Die Ethik vertraut als Wissenschaft darauf, dass das „Gute" mittels der Vernunft erkannt werden kann. Weil es aber beim Wünschen und beim Sollen nicht bleiben kann, ist die Moral die Ebene des Handelns: Wer tut? Wie? Was ist und geschieht?
Was ist, welche Werte in Österreich zählen, versucht die Europäische Wertestudie zu klären, dokumentiert im Buch mit dem Titel Die Österreicher/-innen. Sie versucht zu beschreiben, welche Werte uns wichtig sind.

Vergleicht man wichtige Lebensbereiche der ÖsterreicherInnen, steht die Familie ganz oben, die Politik ganz unten. Dazwischen die Freunde, die Arbeit, die Freizeit, die Religion. Lieben und Arbeiten sind gleichsam die Fundamente des österreichischen Wertekonzepts. Politik, auch Demokratie, wird zunehmend kritisch gesehen. In den Werte-Beziehungen zwischen den Personen zeigt sich ein differenziertes Bild: eine hohe Ichbezogenheit, ein Drittel autoritäre Personen, hohe und wachsende Fremdenfeindlichkeit, viel Wert auf Solidarität im Kleinen.

Werte wandeln sich, auch die Einstellungen zur Wirtschaft. Gerade in der Krise ist viel Unsicherheit zu spüren: Mehr oder weniger Staat? Mehr oder weniger Freiheit für Unternehmen? Die Analyse zeigt: Die Menschen wollen, dass „neoliberale" Schieflagen ausgeglichen werden, das Modell der Sozialen Marktwirtschaft wird nicht infrage gestellt. Seit der Idee der Sozialen Marktwirtschaft gilt auch, dass sich ein Wirtschaftssystem jene Werte, nach denen es handeln soll, nicht selbst geben kann. Der „gute Kapitalismus" muss von der Mitte der Gesellschaft getragen werden. Der Markt selbst ist nicht in der Lage, die notwendigen ethischen Grundlagen, ohne die er nicht funktioniert, selbst hervorzubringen. (Christian Friesl*, DER STANDARD, Printausgabe, 30./31.1.2010)