Böse Puppenspiele: Harmony Korines "Trash Humpers".

Foto: Festival

In Nashville, Tennessee, gehen Menschen seltsamen Hobbys nach: Sie reiben sich des Nachts eindeutig anzüglich an wehrlosen Mülltonnen, greifen Bäume aus, fallen nach dem täglichen Vandalenakt in fröhliche Stepptanz-Routinen und richten ihre Pancakes an Spülseife an. Die Mitglieder dieses kleinen Anarcho-Performance-Grüppchens tragen faltige Greisengesichter auf ihren merklich jungen Körpern. Nicht nur dieser Umstand trägt zum eigentümlichen Stimmungsgemisch bei, das der Film namens Trash Humpers transportiert.

Trash Humpers, der jetzt bei der 39. Ausgabe des Internationalen Filmfestivals Rotterdam zu sehen war, hätte vorzüglich auch vergangenen Oktober in die Viennale-Retrospektive transgressiver Komödien gepasst: Gedreht auf VHS, dementsprechend schundig schon an der sichtbaren Oberfläche, angesiedelt auf jenem schmalen Grat, wo das karnevaleske Treiben nicht nur befreiende, sondern auch verstörende, gewalttätige, zersetzende Seiten zeigt.

Das Mastermind hinter dieser wilden Mischung aus Fake-Home-Movie, Impro-Theater und Slapstick steckt selbst unter einer der Greisenmasken: US-Regisseur Harmony Korine, einst Autor von Larry Clarks Kids und Filmwunderkind, hat seinen vierten Langfilm billig und schnell, in größter Freiheit, in vertrauter Umgebung und quasi im Kreis seiner eigenen Familie realisiert. Wie in seinen früheren Arbeiten zeigt sich auch hier eine Affinität zum Abseitigen, die jedoch nie spekulativ ist, sondern von Empathie geprägt: "Ich kann den Schmerz der Menschen hier riechen", heißt es einmal in diesem großen kleinen Film.

Torin erkundet die Welt

Eine andere spezielle Vorliebe hat der Japaner Hirokazu Kore-eda (Nobody Knows) zum Ausgangspunkt eines melancholischen Märchens gemacht: Nozomi ist eine lebensgroße Puppe, ein Sexspielzeug, eine leblose Dienstleisterin und die Partnerin, die sich ein etwas apathischer Kellner zugelegt hat. Eines Morgens beginnt sie zu atmen und bald darauf wird Nozomi als eine reine Torin die Welt außerhalb des Mini-Apartments erkunden.

Der Wechsel von der Gummipuppe zum Lebewesen wird dabei nicht mit irgendwelchem technischen Brimborium vollzogen. Vielmehr übernimmt von einer Einstellung zur nächsten einfach eine Schauspielerin Nozomis Rolle, die Koreanerin Du-na Bae (The Host) spielt sie. Air Doll beruft sich so ganz beiläufig auf eine andere menschliche Erfindung aus der Abteilung (Selbst-)Täuschungskunst, auf die magische Linie der Kinotradition. Auch wenn sich die Erzählung in der zweiten Hälfte ein wenig verzettelt, gibt es neben der feinen Komödiantin Bae noch viele Momente, deren eigentümliche Zartheit nachhaltig in Erinnerung bleibt.

Erklärter Liebling des kinoverrückten, sympathischen Publikums in Rotterdam ist derzeit ebenfalls ein Puppentrickfilm, aber einer im wortwörtlichen Sinn: Wes Andersons in liebevollster Detailarbeit gestalteter Fantastic Mr. Fox, der nach einer Vorlage von Roald Dahl den draufgängerischen pelzigen Titelhelden drei Großbauern ärgern und sich und die Seinen in arge Bedrängnis bringen lässt.

Der Kinostart in Österreich wurde leider auf unbestimmt verschoben - vielleicht kann man den Publikumszuspruch hier als Empfehlung nehmen. (Isabella Reicher aus Rotterdam, DER STANDARD/Printausgabe, 03.02.2010)