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Der Mann hinter Jörg Haider: Andreas Mölzer als neu gewählter EU-Abgeordneter 2004 - kurz vor dem endgültigen Bruch zwischen den beiden, der zur Gründung des BZÖ führte.

Foto: APA/Eggenberger

STANDARD: In den Neunzigerjahren hatte man den Eindruck, die FPÖ denke gar nicht ernsthaft darüber nach, in eine Regierung zu gehen. War sie dann von der Möglichkeit überrascht?

Mölzer: Haider hat das verdrängt. Als intelligenter Mensch hat er wohl gewusst, dass seine Politik der Stimmenmaximierung, allen alles, auch Widersprüchliches, zu versprechen, ein Scheitern geradezu zwangsläufig impliziert.

STANDARD: Um das nicht selber ausbaden zu müssen, hat er sich aus der Parteiführung verabschiedet?

Mölzer: Dass er im Frühjahr 1999, ein halbes Jahr vor der Nationalratswahl, Landeshauptmann geworden ist, hat ihm die Brücke gebaut, sich als Kaiser in die Provinz zurückzuziehen - und dem großen Wahlverlierer Schüssel den Vortritt zu lassen.

STANDARD: War die FPÖ vorbereitet, in die Regierung zu gehen?

Mölzer: Das ist eine Frage, die sich ja auch jetzt wieder stellen kann. Und die Antwort ist: Die FPÖ war damals nicht vorbereitet und sie ist es heute nicht. Nicht, weil sie schlechtere Leute hätte oder schlechtere Programme - im Gegenteil, die sind besser. Aber sie hat die Struktur nicht gehabt: Keinen "vorpolitischen Raum" in Kammern und Organisationen, keine Unterstützung in den Medien - wenn man absieht von persönlichen Kontakten zur "Krone".

STANDARD: Aber da gab es schon auch ein personelles Defizit: Die meisten Minister hatten keinerlei Regierungserfahrung. Sie hatten doch keine Ahnung, wie Bürokratie funktioniert?

Mölzer: So ist es: Regieren ist bis zu einem gewissen Grad auch Handwerk. Da hatte die ÖVP die Profis - und konnte die FPÖ über den Tisch ziehen. Andreas Khol hat sich im Parlament den Peter Westenthaler geholt, ihn nach außen hin gehätschelt und in Wirklichkeit geführt - Wolfgang Schüssel hat sich genauso die Susanne Riess domestiziert. Das war der Weg, der Haider nach Knittelfeld geführt hat: Weil er gesehen hat, dass die ÖVP seine eigenen Leute am Gängelband hatte.

STANDARD: Was hätte die FPÖ in dieser Konstellation überhaupt besser machen können?

Mölzer: Man hat damals ernstlich diskutiert, ob man nicht noch eine Periode, noch eine Wahl abwarten sollte, um dann als stärkste Partei dominant in eine Regierung zu gehen. Auch heute ist die Diskussion: Wie stark muss man sein, um in eine Regierung zu gehen. Und die Lehre aus dem Jahr 2000 ist wohl, dass man stärkste Partei sein muss, um das zu tun.

STANDARD: Immerhin ist die FPÖ als Reformpartei angetreten und hat doch etliche Reformen erzwungen?

Mölzer: Die Reformen, die gemacht wurden, haben den Wirtschaftsstandort betroffen und eher der ÖVP genützt. FPÖ-Vorstöße waren zu schlecht durchdacht und so unterschiedlich zur Zeit der Fundamentalopposition, so dass sie nur mit massiven Wählerverlusten durchsetzbar waren. Mit den ersten Reformen hat die FPÖ ein Drittel ihrer Wähler verloren.

STANDARD: War die FPÖ vorher zu populistisch?

Mölzer: Populismus ist die Versuchung für jeden demokratischen Politiker, dem Wähler nach dem Mund zu reden. Das ist nichts Illegitimes. Die Frage ist: Wo ist die intellektuelle Lauterkeit, dass man nicht Dinge verspricht, die man nie halten kann? Wenn man es nicht hält, bezahlt man dafür, wenn man Regierungsverantwortung übernommen hat. Das ist der Fehler. Und diesen Fehler gibt es heute auch.

STANDARD: Wie haben die Sanktionen auf die FPÖ gewirkt?

Mölzer: Das war unsere beste Zeit. Zynisch müsste man sagen: Die Sanktionen hätte die FPÖ selbst bestellen müssen, um Solidarität in der Bevölkerung zu erhalten. Hat sie natürlich nicht. Haider hat vielleicht bei seinem Fünfziger auf der Gerlitzen, wo er illuminiert war, provoziert - mit dem "Westentaschen-Napoleon". International hat es das Bild einer rechtspopulistischen Rabaukenpartei verfestigt. Bis heute spüre ich das. Wenn ich auf europäischer Ebene Gespräche suche, werde ich mit Haider konfrontiert, nicht mit Strache. (Conrad Seidl/DER STANDARD-Printausgabe, 3.2.2010)