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Der Mann hinter Viktor Klima: Mit Anti-Wende-Sticker und "seinem" Ex-Kanzler machte sich Rudolf Edlinger (links) im Februar 2000 zu einer Großdemo gegen die schwarz-blaue Regierung auf.

Foto: APA/Schlager

Edlinger: Ich möchte gleich etwas vorausschicken. Ich habe damals zwar nicht so viele Bücheln vollgeschrieben wie der Andreas Khol von der ÖVP, trotzdem weiß ich, dass er einen Schmäh erzählt. Mein Zitat, dass ich lieber einen Hund auf eine Knackwurst aufpassen lasse, als die ÖVP aufs Budget, stilisiert er heute glatt zum Grund für den Bruch der rot-schwarzen Koalition hoch. Das finde ich schon recht kleinkariert.

STANDARD: An Ihnen ist es also nicht gescheitert. Woran dann?

Edlinger: Am unbefriedigten Egotrip des Wolfgang Schüssel. Vor allem während Österreichs EU-Ratspräsidentschaft 1998 stand er als Vizekanzler im Schatten des Regierungschefs. Seither ist in der Koalition nichts mehr gegangen.

STANDARD: Über eine Koalition verhandelten SPÖ und ÖVP trotzdem.

Edlinger: Aber seit Anfang 2000 waren das nur mehr leere Kilometer. Im Rückblick ist für mich völlig klar, dass die ÖVP parallel mit der FPÖ verhandelt hat, sonst hätten sie später in einer Woche kein Regierungsprogramm zustande gebracht. Die ÖVP war absolut unehrlich, sie hatte eine klare Strategie, uns auflaufen zu lassen.

STANDARD: Was macht Sie sicher?

Edlinger: Anfang Jänner gab es etwa ein gutes Gespräch zum Budget, trotzdem haben mich ÖVP-Minister am selben Abend in der ZiB gehaut wie einen Esel. Sechs Monate vor der Wahl hatte mir Khol noch gesagt, ich sei die Klammer der Koalition - nun war ich an allem schuld, was seit der bürgerlichen Revolution von 1848 passiert ist. Als Schüssel schließlich den Finanzminister forderte, war mir klar, dass er die große Koalition nicht will. Ich war beliebt, in der Partei fest verankert - dieses Opfer hätte die SPÖ nicht akzeptiert. Und das wusste die ÖVP.

STANDARD: Die ÖVP sprach von fehlenden Milliarden im Budget.

Edlinger: Es ist Unsinn, dass es das Budget zerrissen hätte. Im Jahr 2000 habe ich ein Defizit von 1,7 Prozent übergeben. Karl-Heinz Grasser kam bei seinem Abgang 2006 auf den gleichen Wert - nur hatte er in der Zwischenzeit halb Österreich verscherbelt.

STANDARD: Haben die SP-Gewerkschafter nicht die Unterschrift unter den Koalitionspakt verweigert?

Edlinger: Das stimmt schon, es lag an der Pensionsfrage. Das Regierungsprogramm war weitgehend nicht sozialdemokratisch geprägt, doch mit gutem Willen wären akzeptable Formulierungen möglich gewesen. Ein Koalitionspakt ist ja nicht die Bibel, sondern ein Konvolut mit Absichtserklärungen. Die Gewerkschaft hat sich zwar gegen die von der ÖVP diktierte Methodik gewandt, aber nicht gegen das Einsparungsziel.

STANDARD: Hätte die SPÖ eine Koalitons-Alternative gehabt?

Edlinger: Nein. Eine Minderheitsregierung ist keine Alternative. Da wedelt der Schwanz mit dem Hund. Und eine Kooperation mit der FPÖ war für die SPÖ damals genauso unmöglich wie heute.

STANDARD: Wurde nicht vorgefühlt?

Edlinger: Möglich, dass der eine oder andere mit der FPÖ geredet hat. Aber das war unautorisiert.

STANDARD: Haben Sie die Sanktionen der EU-14 gegen die schwarz-blaue Regierung überrascht?

Edlinger: Gewundert hat mich die Reaktion nicht, aber zunehmend gestört. Welches Volk lässt sich schon gerne von draußen reinreden? Auch in der Waldheim-Affäre ist die Stimmung in dem Moment gekippt, als sich der Jüdische Weltkongress eingemischt hat. Die Sanktionen der EU-14 waren letztlich ein Gottesgeschenk für ÖVP und FPÖ. Auch weil sie wider besseres Wissen verzapften, die SPÖ hätte diese eingefädelt.

STANDARD: Die SPÖ soll in Frankreich um Hilfe gebeten haben.

Edlinger: Na freilich. Ausgerechnet bei Jacques Chirac werden wir das getan haben! Bei einem konservativen Staatschef! Ich halte diese These für absurd. Abgesehen davon: Dem Land gedient hat die schwarz-blaue Zeit nicht. Schüssel hat die FPÖ nicht gezähmt, sondern hoffähig gemacht und reingewaschen. Die Produkte heißen Martin Graf und Heinz-Christian Strache. (Gerald John/DER STANDARD-Printausgabe, 3.2.2010)