Wien - Das umstrittene Wiener Totschlag-Urteil könnte über kurz oder lang eine Gesetzesänderung nach sich ziehen. Die Sprecherin von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner bestätigte "Überlegungen" zu Justierungen im Strafrecht, indem man sich "religiös motivierte Handlungen", die Gewalt oder Nötigung darstellen, ansehen will. Zuvor hatte die ÖVP in Person ihres Generalsekretärs Fritz Kaltenegger in der "Kronen Zeitung" ihren Wunsch, den "gesetzlichen Rahmen zu ändern oder zu verschärfen", deponiert.

Konkret will die Volkspartei demnach, dass religiöse Motive für Verbrechen kein Milderungsgrund sein dürfen bzw. umgekehrt beim Strafausmaß eine "besondere Erschwerung" darstellen sollen. Die "Krone" nannte als Beispiele für "religiös motivierte Gewalt" unter anderem Ehrenmord oder Körperverletzung, etwa Genitalverstümmelung.

Das Justizministerium kommentierte all dies nicht im Detail. Allerdings hinaus gebe es derzeit "diverse Überlegungen, wie Gewalt in der Familie strafrechtlich stärker geahndet werden kann", hieß es. Hier wolle man auch "religiös motivierte Handlungen, die nach österreichischen Recht als Gewalt oder schwere Nötigung zu qualifizieren sind", prüfen.

Erlass gegen mildes Totschlag-Urteil

Hintergrund der Debatte ist das Urteil des Wiener Straflandesgerichts, mit dem einem gebürtigen Türken, der seine scheidungswillige Ehefrau niedergestochen hatte, eine "allgemein begreifliche, heftige Gemütsbewegung" zugestanden wurde. Die Empörung war allerorten so groß gewesen, dass das Ministerium schließlich per Erlass an sämtliche Oberlandesgerichte und Oberstaatsanwaltschaften klarstellte, "dass nach Lehre und Rechtsprechung weder die Ausländereigenschaft im Allgemeinen noch die Herkunft aus einem bestimmten Land für sich genommen den Grad der Heftigkeit einer Gemütsbewegung und die allgemeine Begreiflichkeit einer heftigen Gemütsbewegung zu begründen vermögen".

Eher unwahrscheinlich scheinen freilich nach wie vor die Chancen, dass neue "Kulturdelikte", wie es Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) schon 2008 genannt hatte, neu ins Strafrecht eingeführt werden. Juristen haben wiederholt darauf hingewiesen, dass für solche Delikte ausreichend Strafnormen bestehen. (APA)