Wien - "Schön, einmal etwas abseits des gewohnten Kontexts zu tun - ich bin ja bei den Klezmatics von Beginn an dabei, also seit 24 Jahren. Die Arbeit mit Susan bedeutet deshalb eine Gelegenheit, die Batterie aufzuladen". Lorin Sklamberg, der Musikwelt als Lead-Stimme der Klezmer-Querdenker Klezmatics bekannt, meint das Projekt "Saints & Tzadiks" (World Village / Harmonia Mundi); dabei konfrontiert der in Brooklyn wohnhafte Sänger und Akkordeonist jiddische Lieder mit dem irischen Folk-Repertoire, repräsentiert durch die Dubliner Sängerin Susan McKeown.

"Überall ist dieselbe Mühsal des Lebens zu bewältigen, Erfahrungen von Krieg, von Migration, der Sehnsucht nach einem besseren Leben. Deshalb lassen sich wohl Anknüpfungspunkte zwischen den meisten Kulturen finden", so Sklamberg über die primär auf inhaltlicher Ebene gegebene Verbindung zwischen jiddischer und irischer Tradition, die sich musikalisch als selbstverständlichste Sache der Welt geriert: Susan McKeowns sinnlicher Alt alterniert berückend natürlich mit Sklambergs hoher Tenorstimme. Wobei der Wechsel zwischen jiddischer, gälischer und englischer Sprache zusätzlichen Farb- und Assoziationsreichtum bedeutet.

McKeown, seit 1990 in New York wohnhaft, ist den Klezmatics seit 2003 durch regelmäßige Gastauftritte verbunden. 2006 war sie zudem Teil des Grammy-bekrönten Albums Wonder Wheel, in dessen Rahmen Sklamberg, Frank London und Co. Klezmer-Melodien mit Liedtexten von Woody Guthrie kurzschlossen. Heute längst als Institution gehandelt, hatten es die Klezmatics mit ihren unpuristischen Klezmer-Interpretationen nicht immer leicht: "Als wir 1986 begannen, war das Klezmer-Revival erst ein paar Jahren alt, und die Leute erwarteten von uns die immergleichen alten Lieder. Während es uns ein Anliegen war, die Klezmer-Tradition aus ihrem ursprünglichen funktionalen Kontext herauszulösen, sie zu einer Bühnen- und Partymusik zu machen", so Sklamberg: Wobei zur unpuristischen Deutung des Liedguts in Richtung Ska, Jazz oder HipHop mitunter auch augenzwinkernde Anspielungen auf offen gelebter Homosexualität kamen - "einfach weil dies ein natürlicher Teil meiner Person ist. Ich sah keinen Grund, das in der Musik auszusparen."

Die jiddische Kultur hat der Kalifornier indessen erst nach seiner Übersiedlung nach New York 1983 für sich (wieder)entdeckt: "Als ich aufwuchs, wurde die osteuropäische jüdische wie auch die sephardische Kultur durch die neue israelische Kultur verdrängt, die man nach dem Zweiten Weltkrieg zu etablieren versuchte. Die Gebete in der Synagoge wurden nun in modernem Hebräisch gesprochen, wir lernten populäre israelische Lieder und Volkstänze. Allerdings war das nicht wirklich mein Erbe. Meine Familie kommt aus der jiddischen Tradition, aus Polen, der Ukraine, Litauen." Mittlerweile sei die Situation eine andere: "Heute gibt es wieder eine ganze Generation, die - im Gegensatz zu meiner - mit jiddischen Lieder aufgewachsen ist. Sie haben also die Sprache und den Klang der Musik in ihren Köpfen. Diese Musiker haben heute im Rahmen der jüdischen Kultur ein größeres Bezugsfeld."

In Wien beschloss Sklamberg zuletzt mit den Klezmatics das Klezmore-Festival, nun kommt er zum Akkordeonfestival. Ob der Kontext für ihn einen Unterschied bedeute? "Nicht wirklich. Außer dass ich bei jüdischen Musikfestivals die meisten Musiker kenne. Beim Akkordeonfestival hingegen fast niemanden." (Andreas Felber, DER STANDARD/Printausgabe, 15.02.2010)