Staatschef und Mannschaftskapitän arbeiten am sportlichen Brücken-schlag: Morgan Freeman als frisch gewählter südafrikanischer Präsident Nelson Mandela und Matt Damon als François Pienaar in Clint Eastwoods "Invictus".

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Clint Eastwood, bald 80, dreht schon wieder.

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Wien – Schiefe Verhältnisse lassen sich an vielen Dingen ablesen, zum Beispiel auch am Sport. Auf einer Wiese stehen weiße, junge Männer in adretten Trikots und spielen Rugby. Jenseits des Zauns, auf staubigem Boden, kicken ihre dunkelhäutigen Landsmänner. Ein einfacher Kameraschwenk, der von der einen Seite zur anderen führt, zeigt zu Beginn von Clint Eastwoods Invictus die Gefälle an, die Südafrika zu diesem Zeitpunkt bestimmen.

Es ist das Jahr 1995, kein zufälliges Datum, denn eine wichtige Zäsur in der Geschichte des Landes steht an. Mit Nelson Mandela kam erstmals ein schwarzer Präsident an die Macht – mit dem Anspruch, ein Land am Rande des Bürgerkriegs zu befrieden und einen Schritt weiter in Richtung Nation zu gehen. Von den einen mit Angst und Skepsis, von den anderen mit großen Hoffnungen begleitet.

Invictus, der auf einem Buch von John Carlin beruht, ist kein weit ausholendes Biopic, sondern ein Film über einen Moment, in dem sich etwas verschiebt. Mandela erringt einen wichtigen Etappensieg, in einer für ihn nicht unbedingt naheliegenden Disziplin: beim Rugby. Er wittert die Chance, mit der elitären Sportart, die von der schwarzen Bevölkerung immer noch für das System Apartheid stand, gesellschaftliche Gräben zu überbrücken. Ziel ist die anstehende Weltmeisterschaft, bei der die südafrikanischen Springboks – so der Name der Mannschaft – als Underdogs gelten. Ein einziger Schwarzer steht im Team, nun soll der Sportsgeist das ganze Land aufwecken, der Titel geholt werden.

"Es war einfach eine Geschichte, die mir gefiel" , erzählt Clint Eastwood beim Pressegespräch in London über seinen Zugang. "Ich bewunderte Mandela, und Rugby war eine Inspiration für ihn. Er benutzte Sport als ein Werkzeug, um sein Land zu vereinen. Er besaß viel Kreativität darin, Leute zusammenzubringen: Er tat es einfach und redete nicht nur davon. Rugby war ein Aspekt, aber es hätte auch Texas Hold'em Poker sein können – den Film hätte ich auf jeden Fall gemacht."

Eastwood, der im Mai seinen 80. Geburtstag feiern wird, ist fokussiert, geduldig, manchmal ironisch in seinen Antworten. Unermüdlich dreht er Jahr für Jahr einen neuen Film – der nächste, Hereafter, in dem es um Grenzerfahrungen geht, ist gerade im Entstehen. Wenn man Eastwood am Podium sieht, denkt man unweigerlich, dass sich die Ruhe dieses Mannes seinem reichen Erfahrungsschatz verdankt.

"Natürlich kann ich größere Herausforderungen annehmen, weil ich mehr weiß" , sagt er über die Vorzüge des Alters. "Aber natürlich kann man auch mehr vergessen." Nachsatz: "Was ich zu vermeiden versuche. Ich genieße es einfach, egal ob ich hinter oder vor der Kamera stehe. Daher werde ich einfach weiter machen, bis mir jemand eine über den Kopf haut – und sagt: Die Zeit ist aus!"

Die Idee, einen Film über Mandela zu drehen, kam von Morgan Freeman, Mandelas Wunschkandidaten für diese Rolle. Freeman wünschte sich Eastwood, für dessen klassisches Arbeitsethos er nur Lob bereithält: Er ist berühmt dafür, bei Drehs meist vor dem Zeitplan zu liegen und so wenige Takes wie möglich zu brauchen. Die Effizienz ist auf das Wesen einer Szene gerichtet, was dem Film konservative Tugenden beschert: einen ruhigen, konzentrierten Rhythmus, das richtige Maß an Pathos und Distanz, eine verhalten komische Note, wenn Mandela mit seinem offenherzigen Lächeln selbst Widersacher für sich einzunehmen versteht. Entwicklungen werden nicht weihevoll ausgespielt, sondern mit kleinen Gesten anschaulich gemacht.

Regisseur mit Feingefühl

"Es ist ganz etwas anderes, wenn man das Gefühl hat, es passiert etwas, und der Regisseur erkennt das auch" , erzählt Matt Damon, der in Invictus den Rugby-Teamkapitän spielt. "Coppola hat mir einmal von Antonioni erzählt, dass er neben der Kamera stand und mit bloßem Auge zusah. Und wenn er etwas erkannte, schaute er zum Kameramann und sie verständigten sich darüber, ob er das auch sah. Auch Clint ist ein Regisseur, der im Prinzip schon in der Kamera schneidet."

Mandela selbst hat den Film gemeinsam mit Freeman auch schon gesehen: "Er grinste viel und nickte. Als er sich selbst das erste Mal sah, lehnte er sich zu mir herüber und sagte: Den Kerl kenn ich! Ich hatte den Eindruck, er ist nicht enttäuscht." Für Eastwood liegt ein entscheidender Aspekt im Pragmatismus des Staatenlenkers: Er zeigt ihn als keinen ganz fehlerlosen Menschen – "er ist kein Heiliger", heißt es einmal im Film. Als Politiker erkennt er allerdings, dass man auch zu unpopulären Konzepten stehen muss, so man von ihnen überzeugt ist. Mandelas Idee, am Rugby festzuhalten, hielten selbst seine treuesten Mitarbeiter für Zeitverschwendung. Eastwood: "Mandela war 27 Jahre im Gefängnis, und er kommt mit dieser Vorstellung eines geeinten Landes heraus: Als ich das Script las, dachte ich mir eigentlich nur, dass dies eine Situation ist, von der Politiker auf der ganzen Welt viel lernen könnten."

Analogien zur politischen Gegenwart finden sich in Eastwoods jüngeren Filmen so ganz von selbst. Sie kommunizieren implizit mit der Gegenwart, wenn sie von Veränderungen erzählen – zuletzt auch Gran Torino, in dem er angeblich seine letzte Rolle spielte. Eastwood gibt Entwarnung: "Ich habe das auch schon nach Million Dollar Baby gesagt. Er war ziemlich erfolgreich, ich dachte, das könnte ein guter Moment sein, um auszusteigen – ich will nicht am Ende immer tiefer sinken. Dann kam Gran Torino daher, der Mann war in meinem Alter. Ich sage immer, dass ich noch zehn Rollen spielen würde, wenn es die richtigen sind. Aber wie viele große Rollen gibt es schon für einen Mann, der, nun ja, 38 Jahre alt ist ..." (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD/Printausgabe, 16.02.2010)