Foto: Sabine Hauswirth

"Ich glaube nicht an das Gute in der Welt, sondern daran, dass wir das Böse bezähmen können", sagt Edit Schlaffer, Frontfrau der Organisation "Frauen ohne Grenzen". Die engagierte Sozialwissenschafterin wurde als Gründerin und Betreiberin der ersten weiblichen Anti-Terrorplattform "SAVE – Sisters Against Violent Extremism" von der führenden US-Nachrichtenagentur Women's eNews zu einer der "21 Leaders of the 21st Century" gewählt.

"Ich freue mich sehr über die Auszeichnung – es ist eine Ermutigung für alle mitwirkenden Frauen, wenn SAVE global bekannt und anerkannt wird; ich bin nur die Symbolfigur dafür", sagt die "Leading Lady" im Gespräch mit dieStandard.at. Schlaffer ist die erste Österreicherin, der die Auszeichnung zuteil wird; in den vergangenen Jahren waren etwa Sheikha Lubna, Wirtschafts- und Planungsministerin der Vereinigten Arabischen Emirate, oder Philanthropin Esther Hewlett unter den Preisträgerinnen.

Zu "Leaders of the 21st Century" werden Frauen gewählt, die sich weltweit für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen einsetzen. Das versuchen Edit Schlaffer und die Frauen von SAVE im tagtäglichen persönlichen Einsatz im Kampf für mehr Sicherheit: "Wir versuchen, den Terror dort zu bekämpfen, wo er beginnt: an der Basis", erklärt Schlaffer. "Frauen sind die Architektinnen einer friedlichen und gleichberechtigten Welt, sie haben gute Sensorien, um Alternativen zur Gewalt zu finden und eine neue Kultur des Dialogs und des Zusammenlebens zu entwickeln."

Gegen gewalttätigen Extremismus

SAVE wurde 2008 gegründet und bringt Frauen in verschiedenen Ländern zusammen, die entschlossen sind, sich gemeinsam gegen gewalttätigen Extremismus zu mobilisieren. Die Bevölkerung wird mittels innovativer Pilotprojekte aktiviert und eingebunden. "Es ist ein vertrauensbildender, sanfter Einstieg", sagt Schlaffer. "Das Wort 'Dialog' ist wie eine verstaubte, alte Mottenkiste; geprägt durch die Gespräche einflussreicher, alter Männer ganz oben – wir wollen es mit neuer Dynamik füllen, mit neuen Inhalten, neuen, unmittelbar Beteiligten, um die Welt sicherer zu machen. Sicherheit ist keine alleinige Frage von Militärmacht und Hochbewaffnung, sondern vor allem des Miteinanderredens und der Begegnung."

Bisher ist SAVE in Indien, im Jemen, in Pakistan, in Israel und Palästina aktiv, aber auch in Spanien, Nordirland und in Großbritannien, wo die zunehmend gemische Gesellschaft für Konfliktpotenzial sorgt. "Wir nehmen zunächst von der Zentrale in Wien aus Kontakt zu Bündnispartnerinnen wie Frauengruppen, Journalistinnen, Bloggerinnen und Frauen-Mediengruppierungen im jeweiligen Land auf. Gleichzeitig suchen wir den Dialog mit offiziellen Stellen und Machthabern", sagt Schlaffer. Im Jemen etwa traf sich ein SAVE-Team unter anderem mit dem Minister für religiöse Führung, der auch für das Anti-Terrorismus-Programm im Land zuständig ist. "Bis jetzt haben wir auf Anfrage überall sofort Gesprächstermine bekommen – wir haben mit unserer Initiative offenbar einen Nerv getroffen."

Wendepunkt

SAVE finanziert sich durch EU- und Forschungsprojekte. Ausschlaggebend, die Initiative zu gründen, war für Edit Schlaffer die Begegnung zweier Frauen nach den Anschlägen von 9/11: "Die Mutter eines Terroristen, der trainiert worden war, in die Türme zu fliegen, hat sich öffentlich bei den Hinterbliebenen für ihren Sohn entschuldigt. Daraufhin hat sich die Mutter eines Opfers bei ihr gemeldet, um sich mit ihr zu versöhnen. Das war für mich der Wendepunkt, eine Initiative zu starten mit dem Ziel, Frauen für einen positiven Wandel zu stärken."

Bei der Arbeit in Ländern mit anderen Kulturen versucht SAVE, westliche Konzepte nicht einfach zu importieren, sondern mit dem zu arbeiten, was da ist. So wird zum Beispiel in vielen Ländern die Rolle der Mütter sehr geschätzt – dieses Potenzial nutzt SAVE in der Kampagne "Mothers for change!": "Wir stärken und trainieren Frauen und Mütter, damit sie Kinder und Jugendliche sensibilisieren und vor den Fallen extremistischer Organisationen bewahren", erklärt Schlaffer. "Mütter sind besonders an der Stabilität und Sicherheit in ihrer unmittelbaren Umgebung interessiert und können ein Frühwarnsystem im Kampf gegen Terrorismus werden: Sie können Alarm schlagen, wenn ihre Kinder oder Ehemänner den falschen Weg wählen. Wenn Frauen mit den notwendigen Instrumenten ausgestattet sind, um größere Autorität in patriarchal strukturierten Familienverbänden und Gesellschaften zu haben, dann werden sie auch größeren Einfluss auf die Zukunft ihrer Kinder ausüben können."

Begegnung schaffen

Ein anderes Projekt hat die Begegnung von Überlebenden von Anschlägen oder Familienmitgliedern von Opfern mit jungen Menschen zum Ziel, die anfällig für gewalttätigen Extremismus sind, um ihnen die Folgen des Terrors, der außer unsagbarem Leid keine Veränderung bewirkt, bewusst zu machen. In Mumbai wiederum brachte SAVE nach den Anschlägen von 2008 betroffene Frauen bei einem Treffen zusammen, bei dem viele zum ersten Mal über das Erlebte sprachen.

Das Engagement von Frauen in Ländern, in denen Frauen marginalisiert sind, ist nicht ganz ungefährlich, aber es gebe viele mutige, aktionsbereite Frauen, die dieses Risiko eingehen, um mitzuhelfen, die Gesellschaft, in der sie leben, auf lange Frist zu verändern, sagt Edit Schlaffer: "Es ist eine Politik der kleinen Schritte, aber wenn wir diese heute nicht machen, dann haben wir morgen etwas versäumt." (isa, dieStandard.at/17.2.2010)