Helmut Lang bei der Präsentation seiner Kollektion für Herbst/Winter 2005 während der Fashionweek in Paris

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Viel ist dieser Tage von einer Revolution die Rede. Von der Umwälzung einer ganzen Branche. Bei den Herrenmodeschauen Mitte Jänner in Mailand fing es an. Da standen bei einzelnen Schauen die Kameras an strategisch platzierten Stellen. Und übertrugen die Show live ins Internet. Erste Reihe fußfrei bedeutete plötzlich nicht mehr eines der begehrten Tickets für die Front Row, sondern ein bequemer Sitz daheim vor dem Laptop.

In den vergangenen Tagen in New York wurde bereits jede zweite Show per Lifestream ins Internet übertragen, in London sind es in den kommenden Tagen mehr als die Hälfte. In Mailand Ende nächster und in Paris in der übernächsten Woche werden es wahrscheinlich noch mehr werden. Damit erreicht eine Entwicklung ihren vorläufigen Höhepunkt, die vor zwölf Jahren ihren Ausgang nahm.

Damals löste Helmut Lang einen Skandal aus, als er von einem Tag auf den nächsten beschloss, seine Kollektion ausschließlich im Internet zu zeigen. Es war seine erste in New York und wer immer etwas auf sich hielt, wollte ein Ticket für Langs Modeschau. Eine Promiauflauf kündigte sich an. Da spielte der Österreicher nicht mit, und sagte seine Schau kurzerhand ab.

"Ich habe es gemacht, um meine Kommunikationsmöglichkeiten zu erweitern", sagte der Designer damals. Das war natürlich nur die halbe Wahrheit. Denn während er den Menschen vor dem Internet seine Herbst/Winter-Kollektion der Saison 1998/99 präsentierte (viele waren das damals nicht), stieß er eine ganze Menge anderer vor den Kopf. Und bestätigte damit - welch kluger Schachzug - seinen Ruf eines Schwierigen.

Zwölf Jahre später ist von solchen Verweigerungshaltungen nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Die Livestreams sind eine Möglichkeit, es allen recht zu machen. Jeder der will, kann zuschauen - und nebenbei im Chatroom seine Kommentare abgeben. Der Glamour der Veranstaltung tut das keinen Abbruch. Denn eine Einladung zu den Modeschauen bekommt auch in Zukunft nur jener, der dafür wichtig genug ist.

Ob Helmut Lang diese Entwicklung gefällt, darüber kann nur spekuliert werden. Gegen die Demokratisierung der Modeschauen hat er sicher nichts. Die Aura der Modeschau aber leidet. Im Internet schaut die gezeigte Mode immer etwas ähnlich aus. Der Livestream der gestern in New York gezeigten Kollektion von Calvin Klein versandete übrigens nach dem etwa zehnten Outfit. Revolutionen sehen anders aus. (hil/derstandard.at, 19.02.2010)