Eine unösterreichische Wissenschaftskarriere: Helga Nowotny

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Österreich war für Helga Nowotny immer schon etwas zu klein. Deshalb hat die international renommierte Sozialwissenschafterin mehr als einmal das Weite gesucht und ihre Geburtsstadt Wien hinter sich gelassen.

Die Internationalität sowohl ihrer Karriere als auch ihres Ansehens in der wissenschaftlichen Welt war Voraussetzung dafür, dass die 72-Jährige am Donnerstag einstimmig in eines der wichtigsten Ämter gewählt wurde, die es in der europäischen Wissenschaft gibt: Sie wird Präsidentin des Europäischen Forschungsrats (ERC), dem von 2007 bis 2013 immerhin ein Budget von 7,5 Milliarden Euro zur Förderung von Spitzenforschern zur Verfügung steht.

Dass Nowotny selbst zur Top-Wissenschafterin wurde, begann damit, dass sie nach ihrem Jusstudium ihre Stelle am Institut für Kriminologie aufgab und mit ihrem damaligen Mann und ihrer kleinen Tochter von Wien nach New York übersiedelte. An der Columbia University erwarb sie beim Emigranten und Soziologiepionier Paul Lazarsfeld einen PhD in Soziologie. Und dessen Kollege Robert K. Merton begeisterte sie dafür, die Wissenschaft selbst fortan zu ihrem Hauptforschungsgegenstand zu machen.

Zurück in Wien, leitete Nowotny zunächst die Soziologieabteilung am neuen Institut für Höhere Studien, war kurz am King's College in Cambridge und danach Gründungsdirektorin des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung.

Dann erwies sich Österreich wieder einmal als zu eng(-stirnig) und klein(-geistig): Nowotny musste sich in Bielefeld habilitieren, weil es in Wien nicht ging. Prompt wurde die Lehrbefugnis in Wien nicht anerkannt und hier erst zwei Jahre später nachgeholt.

Zwischen 1987 und 1996 war Nowotny, die sich mit in vielen Sprachen übersetzten Büchern wie Über den Umgang mit Unsicherheit, Wie männlich ist die Wissenschaft? oder Eigenzeit längst einen internationalen Namen gemacht hatte, Ordinaria am neuen Institut für Wissenschaftsforschung an der Uni Wien.

Danach ging es wieder ins Ausland: als Professorin für Wissenschaftsforschung an der ETH Zürich, wo sie bis zu ihrer Emeritierung lehrte und forschte. Daneben war Nowotny unter anderem Mitbegründerin des Collegium Budapest und schließlich auch des Europäischen Forschungsrats, dem sie seit 2005 als Vizepräsidentin angehörte. Ab 1. März wird sie seine Präsidentin sein. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21. Februar 2010)