Zürich - Die schweizerische Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf hat in einem Interview angekündigt, Steuerhinterziehung und Steuerbetrug in absehbarer Zeit generell gleichrangig behandeln zu wollen.

Gegenüber dem Ausland ist die Aufweichung des Bankgeheimnisses in der Schweiz beschlossene Sache, seit der Bundesrat den OECD-Standard gegen die Steuerflucht akzeptiert hat. Nun will Widmer-Schlumpf die gleichen Regeln auch in der Schweiz zur Diskussion stellen: "Es stellt sich die Frage, ob wir nicht auch im Inland längerfristig auf die Unterscheidung von Steuerbetrug und schweren Fällen von Steuerhinterziehung verzichten sollen", sagte sie in einem Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung" (Sonntag).

Es gehe ihr darum, die "schweizerischen Steuerbehörden den ausländischen gleichzustellen".

Schon vor Jahren als Finanzdirektorin in ihrem Kanton habe sie oft die gleiche Klage gehört: "Dass Personen, die über Jahre große Beträge hinterziehen, viel gnädiger behandelt werden als solche, die viel kleinere Beträge hinterziehen, dafür aber ein Dokument fälschen."

Diesen Missstand wolle sie nun ändern: Das Schweizer Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer erlaube es schon heute, die Herausgabe von Bankinformationen zu erzwingen. Doch müsse das Finanzministerium jedes Mal seine Zustimmung erteilen. "Es ist durchaus denkbar, diese Hürden herabzusetzen," so dass etwa auch kantonale Steuerbehörden solche Verfahren eröffnen können, so Widmer-Schlumpf.

Internationale Entwicklungen gaben Anstoß

Dass sie die Debatte gerade jetzt beginnt, begründet sie mit den internationalen Entwicklungen: "Solange die Schweiz gegenüber dem Ausland an der Unterscheidung zwischen Betrug und schwerer Hinterziehung festhielt, konnte man nicht über die Aufhebung im Inland diskutieren", sagt sie. Jetzt sei die Zeit gekommen, auch im Inland darüber zu reden.

Zum Problem mit den gestohlenen Bankdaten meinte sie im NZZ-Interview: "Wenn Deutschland gestützt auf gestohlene Daten von uns Amtshilfe verlangt, wird die Schweiz diese nicht leisten. Damit wir aber überhaupt wissen können, ob ein Amtshilfegesuch auf gestohlenen Daten beruht, müssen wir den Inhalt dieser gestohlenen CDs kennen." Die Schweiz werde keine Amtshilfe mehr leisten, bis sie Kopien der CDs erhalte. "Das wissen die Deutschen". (APA)