Die österreichische Schauspielerin und Erfinderin Hedy Lamarr (1914-2000): Ihr Beitrag zur modernen Kommunikationstechnik macht sie, so Telekom-Austria-Chef Hannes Ametsreiter in seiner Einführung, zur idealen Namensgeberin der Vorträge zur Wissensgesellschaft.

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Zur Demokratie gehört das Normative: die moralischen Töne der Sonntagsreden, die Berufung auf Menschenrechte; und das Empirisch-Praktische: der Kampf um Wählerstimmen, die Machterhaltung.

So steckte der Politologe Anton Pelinka in der ersten der Hedy- Lamarr-Lectures an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften das Feld ab, das er im Folgenden behandelte. Die nur "unvollkommene Demokratie" gebe es wegen dieser und einer weiteren Diskrepanz, nämlich jener zwischen den enormen Möglichkeiten für politische Bildung und dem tatsächlichen, teils krassen Nichtwissen bzw. Nichtinteresse.

Die Rolle von Kommunikation und Information in dieser Spannung schätzte Pelinka vorsichtig ein. Einerseits seien sie unerlässlich auf dem Weg zur Utopie einer wirklichen Volksherrschaft. Andererseits wisse man, dass diese nicht zu erreichen ist, weil viele über weniges informiert sind und nur wenige über vieles.

Was tun angesichts solcher Zustände? Zunächst einmal Bestand aufnehmen. Großes politisches Interesse korreliere nicht immer mit guter Demokratie, wie der Empiriker Pelinka ausführte: Man denke an Polen Anfang der Achtziger und vergleiche es mit heute, da bessere politische Zustände von Desinteresse begleitet sind. Ebenso wenig verheiße eine hohe Wahlbeteiligung gute Zukunftsaussichten: Nur 40 Prozent beteiligten sich an den US-Wahlen 1932 (Roosevelt gewann), mehr als doppelt so viel gleichzeitig in Deutschland (die NSDAP wurde stärkste Partei).

Je mehr Befunde aus Vergangenheit und Gegenwart man heranzieht, umso schwieriger wird die Einschätzung, was den Erfolg einer "Wissensgesellschaft" ausmacht (um sie geht es in den von der Telekom Austria und dem Medienhaus Wien veranstalteten acht Lamarr-Vorlesungen im heurigen Jahr). Zu den nachweisbaren Determinanten politischer Entscheidungen aber, in Österreich und anderswo, zählte Pelinka Gender, Alter und Erziehungsniveau auf. Letzteres gelte es umso mehr zu fördern, als der Abstand zwischen möglicher und tatsächlicher Informiertheit noch nie so groß war wie heute.

Der Abstand kann verringert werden. Nicht durch Steuerung von oben, nicht durch die "Lebenslüge" einer "objektiven" Information; sondern durch eine noch viel pluralistischere Informationsgesellschaft. Dabei möge man - und hier wurde Pelinka vom empirischen zum spekulativen Denker - nicht auf Regierung und Parteien setzen, sondern auf die Zivilgesellschaft.

Wie allerdings die sich unter der Herrschaft des Boulevards in Print- und elektronischen Medien artikulieren kann, das blieb offen. (Michael Freund/DER STANDARD, Printausgabe, 24.2.2010)