"The horror, the horror!" (Colonel Kurtz).

Foto: Fluch

Sammeln bedeutet Zugeständnisse machen. Auch wenn es nur ein Anhäufen ist, wie hier schon einmal erwähnt. Zugeständnisse macht man an die Prinzipien schnöder Ordnung. Zumindest ab einer gewissen Intensität des Sammelns. John Peel, selig, hat das Resultat seines Sammelns gerne "die Katastrophe" genannt und damit Klartext gesprochen. Immerhin hatte der ein ganzes Gartenhaus voller Tonträger. Der inhaltlichen Ausrichtung dieses Blogs entsprechend spreche also auch ich nicht von Briefmarken, Hirschgeweihen (wobei ...) oder Matchbox-Autos (hm ...), sondern von Musik. Musik abseits der Festplatte, haptische Abteilung, Königsdisziplin Vinyl.

Da ergab es sich eben, dass ich aufgrund verstopfter Regale nachjustieren musste. Was vorher nur ein mühsam gebändigter Zustand war, ist jetzt zwar nicht komplett ausm System, aber auch das Verrutschen von, sagen wir, einem halben Meter Platten bedeutet zumindest eine temporäre Orientierungslosigeit von einigen Wochen. Denn es ist so: Wenn man den Umfang seiner Plattensammlung nicht mehr in Stückzahlen, sondern in Metern misst, werden jene Alben, die an den Standbeinen des Regals ruhen, an seinen Unterteilungen eingeordnet sind, zu wichtigen Orientierungspunkten.

Werden diese dort aufgrund einer Nachjustierung versetzt - Katastrophe! Keine von Peel'schen Ausmaßen, aber immerhin. Ja Mutter, ich weiß, das sind Freak- und Nerd-Probleme. Aber auch diese zählen.

Zwar ist das meiste Vinyl durchalphabetisiert, einiges ist Genre-mäßig ausgenommen (HipHop, Elektronik, Kuba, Sampler, Soundtracks ...) aber es gibt natürlich Buchstaben wie "S", unter dem überdimensional viele Platten zu stehen kommen. Da ist es selbst unter normalen Bedingungen schon mühsam, ein Album zu finden. Für zusätzliche Irritation sorgt der Umstand, dass ich während des Umschichtens auf etliche Ausnahmen innerhalb des Alphabetisierungssystems gestoßen bin. Die schienen mir wohl irgendwann logisch, aber jetzt ... Herrschaftszeiten!

Dass etwa Big Star bei den Alben von Alex Chilton steht, geht ja noch. Zumal ja auch "C" auf "B" folgt. Das gilt auch für die Box Tops. Little Village hatte ich wiederum bei Cooder in Erinnerung, aufgetaucht ist sie bei Hiatt. Lou Barlow, Folk Implosion und Sebadoh sind überhaupt grausam verteilt. Und wie man das Problem "Desert Session", Earthlings!, Kyuss und QOTSA etc. befriedigend löst - keine Ahnung!

Mühsam, aber das geht vorbei. Hin und wieder wo als DJ auflegen hilft da genauso wie das zumindest bei Schallplattenrücken elefantisch funktionierende Gedächtnis. Es ist nämlich schon erstaunlich, dass ich heute zwar keine fünf Prozent meiner Maturaklasse namentlich zusammen brächte, aber welche Rückenfarbe ein zwanzig Jahre altes Album hat, das merkt sich der Freak dann doch.
Seltsam? Aber so steht es geschrieben ...

(Karl Fluch, DerStandard.at, 4.3.2010)