Sexökologisches Liebesgeflüster: "Hi little plant, you're so sexy!"

Foto: loveartlab.org

Dirty Sexecology - Eindrücke aus der "schmutzigen" Show ...

Foto: Mark Snyder
Foto: Mark Snyder
Foto: Mark Snyder

"If more people experienced the Earth as their lover instead of thinking of her as their mother, it would make for a more mutually beneficial and sustainable relationship." (Annie Sprinkle & Elizabeth Stephens)

"Ick liebe dick. Ick liebe dick!" - selbst wenn Annie Sprinkle und Elizabeth Stephens Deutsch lernen, hat es mit Liebe zu tun. Seit 2000 machen die beiden US-Amerikanerinnen schon gemeinsam Liebe und Kunst: Das Paar im Beruf und im Leben hat sich Projekten verschrieben, "die die Liebe untersuchen, erzeugen und feiern" - und dabei meist das eine oder andere Tabu brechen: von öffentlichen "Kuss-Marathons" in London über "Sidewalk Sex Clinics" mit Gratis-Sexualberatung in den Straßen von New York City bis zur "Dirty Sexecology"-Show aktuell in Wien.

War anfangs noch Annie Sprinkle die Hauptprotagonistin, so haben sich mittlerweile beide Künstlerinnen international einen Namen gemacht: Sprinkle, Ex-Pornodarstellerin, Performerin und überzeugte Feministin, ist vor allem für ihre Bücher und die autobiografischen One-Woman-Shows "Post Porn Modernist" und "Herstory of Porn" bekannt; Stephens untersucht als Uniprofessorin, Aktivistin und Pädagogin seit 20 Jahren Sexualität, Gender, Queerness und Feminismus, verpackt in interdisziplinäre Kunstprojekte. Und über allem: die Liebe.

In den vergangenen Jahren haben sich Sprinkle und Stephens vorrangig ihrem Sieben-Jahres-Projekt "Love Art Laboratory" gewidmet, ihre Antwort auf "Gewalt, Krieg, die anti-homosexuelle Hochzeitsbewegung und alle vorherrschende Gier, die zur Zerstörung unseres Planeten führt". Dabei organisiert das Paar alljährlich farbenfrohe "Performance-Hochzeiten" bei denen sie mit bis zu 300 KünstlerInnen und Mifeiernden in einem großen Festakt "die Erde heiraten", jeweils basierend auf dem Thema eines Chakras.

Liebhaberin Erde

Eines ihrer Projekte aus dem "Love Art Lab" präsentierten die Liebeskünstlerinnen dieser Tage anlässlich der 10-Jahres-Feierlichkeiten des Wiener Kosmos-Theaters, wo sie nach 2004 und 2006 bereits zum dritten Mal gastieren: Die Multimedia-Show "Dirty Sexecology - 25 Ways to Make Love to the Earth" soll "in anderen das Verlangen, die Erde zu lieben, schätzen und ehren entflammen" - die Erde als zu begehrende Liebhaberin anstelle der Mutter Erde.

Da präsentiert Annie einen "Ballet Strip Tease Earth Dance" als energiegeladene Hommage an die Schönheiten der Natur, während Beth singend die Zerstörung der Umwelt in ihrer Heimat West Virginia betrauert. Da flüstern sie Frühlings-Topfblumen schmutzige und zärtliche Worte in die Blätter ("Hi little plant, you're so sexy!"), da schildern sie ihre autobiografischen Erlebnisse mit und in der Natur, die sie lehrten, die Erde zu schützen und zu lieben. Ein Hauch von Flower Power mischt sich mit dem Geruch der feuchten Gartenerde, mit der Beth und Annie, zwei Rubens-Schönheiten gleichend, vor dem Bild des blauen Planeten auf der Bühne "Liebe machen", um schließlich, friedvoll in die Erde eingebettet, am Busen der Natur (und dem der anderen) zur Ruhe zu kommen.

Auch an Inspirationsquellen lassen es die Künstlerinnen nicht fehlen: In gewohnter "Dr.-Annie-Sprinkle-Manier" (die Sexologin trägt einen Ehrendoktorinnentitel des Instituts für Advanced Study of Human Sexuality in San Francisco) wird das Publikum in die Performance miteingebunden, dazu animiert, von eigenen ökosexuellen Erfahrungen zu berichten, sich als "terraphil" oder "aquaphil" zu outen und als "Ecosexual" die sinnlichen Erlebnisse mit der "Liebhaberin Erde" zu genießen, sie zu schützen und zu umsorgen.

Turbulente Jahre

Nicht nur beruflich, auch privat haben die sympathischen, lebenslustigen Künstlerinnen turbulente Jahre hinter sich, unter anderem geprägt von ihrer offiziellen Heirat in Kanada, dem Versuch, ein gemeinsames Baby zu bekommen und Annie Sprinkles Brustkrebserkrankung 2005. Jede Erfahrung wurde in einem weiteren Kunstprojekt be- und verarbeitet: Selbst die Entfernung des Tumors aus Annies Brust wurde künstlerisch-fotografisch festgehalten, aus der Chemotherapie wurde kurzerhand eine "Chemo Fashion Show" - beider ganz persönlicher, mutiger Weg, mit der Krankheit umzugehen.

Das Paar versteht seine Kunst auch als Möglichkeit, die Liebe zueinander in allen Facetten zu leben, sowie als Anstoß, das gesellschaftliche Miteinander besser zu gestalten: "Our projects are symbolic gestures intended to help make the world a more tolerant, sustainable and peaceful place. We are ecosexual sexecologists who have vowed to love, honor and cherish the Earth, Sky and Sea 'til death brings us closer together forever." (Isabella Lechner/dieStandard.at, 9.3.2010)

Link:

Annie & Beth - eine Ansichtssache