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Die möglichen und tatsächlichen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Gehirnen beschäftigen die Forschung.

Foto: Archiv

Männer und Frauen sind nicht nur von verschiedenen Planeten, was ihr Verhalten betrifft, sie weisen auch Unterschiede in ihren kognitiven Fähigkeiten auf. Eines der Gebiete, in denen sie besonders deutlich sind, ist die visuelle Raumwahrnehmung: In damit verbundenen Aufgaben schneiden Frauen signifikant schlechter ab als Männer. Das lässt sich jedoch ändern - wie, damit beschäftigen sich Forscher des Instituts für Psychologie der Uni Graz mit finanzieller Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF.

Klassische Tests zur visuellen Raumwahrnehmung arbeiten mit zweidimensionalen Darstellungen von dreidimensionalen Objekten (z. B. aus Würfeln zusammengesetzte Körper) auf Papier oder auf einem Computerschirm. Dabei müssen die Versuchspersonen entscheiden, ob zwei gleichzeitig präsentierte, aber unterschiedlich orientierte Darstellungen dasselbe Objekt zeigen oder nicht. Das können männliche Probanden generell schneller und mit höherer Trefferquote als weibliche. In neueren Studien jedoch wurden die Objekte in einer virtuellen Wirklichkeit als dreidimensionale Körper präsentiert - und siehe da: Es gab keinen Unterschied mehr zwischen den Geschlechtern. Zudem lässt sich die Leistung der Frauen durch Training verbessern, sei es durch gezieltes Üben oder durch die häufige Konfrontation mit räumlichen Aufgaben in ihrem täglichen Leben, wie etwa beim Sport, in der Arbeit oder bei Computerspielen. Aljoscha Neubauer vom Institut für Psychologie der Universität Graz und seine Mitarbeiter nahmen diese Ergebnisse zum Anlass zu untersuchen, welche Geschlechtsunterschiede zutage treten, wenn man dreidimensionale Präsentationen und eingeschobene Lernphasen kombiniert. Die Messung der Hirnströme während der entsprechenden Tests sollte außerdem zeigen, inwieweit sich die Hypothese von der "neuralen Effizienz" bestätigt. Diese besagt, dass intelligentere Menschen bei der Lösung von Aufgaben weniger Hirnaktivität aufweisen als weniger intelligente, weil ihre "grauen Zellen" effizienter arbeiten.

Die meisten bisherigen Untersuchungen zu Aufgaben der Raumwahrnehmung wurden an Erwachsenen durchgeführt. Am deutlichsten treten diesbezügliche Geschlechtsunterschiede jedoch zwischen 13 und 18 Jahren zutage, weshalb Neubauer und seine Mitarbeiter das Augenmerk auf diese Altersgruppe legten: Aus mehr als 900 Jugendlichen wählten sie 77 Fünfzehnjährige (38 Burschen, 39 Mädchen) mit vergleichbarem IQ aus, die alle imstande waren, einen Test zur visuell-räumlichen Intelligenz in einer bestimmten Zeit zu absolvieren. Die anschließenden Tests liefen in drei Phasen ab: Erst wurden den Teilnehmern auf einem Bildschirm immer zwei aus Würfeln zusammengesetzte Figuren präsentiert, deren Gleich- oder Ungleichheit sie beurteilen sollten.

Danach folgten zwei Wochen, in denen die jungen Leute zu Hause verschiedene Trainingseinheiten (unter anderem Tetris) zu absolvieren hatten, und anschließend derselbe Test wie beim ersten Mal. Die Figuren wurden dabei in einem Durchlauf als 2-D-Objekte und dann in einem zweiten mittels 3-D-Brillen als dreidimensionale Körper präsentiert.

Trotz der Vorauswahl auf visuell-räumliche Intelligenz kristallisierten sich Unterschiede heraus: Zwar zeigten beide Geschlechter bei den 3-D-Objekten kürzere Reaktionszeiten und höhere Trefferquoten als bei den 2-D-Präsentationen, doch bei letzteren erzielten die Mädchen weniger "Richtige". Trainingseffekte zeigten sich ebenfalls für beide Geschlechter, aber auch hier wieder stärker bei den weiblichen Testpersonen. Erstaunliches lieferte die Messung der Hirnaktivität: Während bei den Burschen generell eine erhöhte Effizienz verzeichnet wurde, trat diese bei den Mädchen nur in der 3-D-Version der Aufgaben auf.

Warum das so ist, wird die Forscher noch länger beschäftigen. Man weiß aber schon heute, dass die Nachfrage nach qualifiziertem Personal in den naturwissenschaftlichen und technischen Berufen, in denen räumliche Intelligenz eine große Rolle spielt, durch Männer allein nicht befriedigt werden kann. Da ist es wichtig zu wissen, dass Frauen durch entsprechendes Training ausgleichen können, was ihnen nicht in die Wiege gelegt wurde. (Susanne Strnadl/DER STANDARD, Printausgabe, 10.03.2010)