Matt Damon: "Das Letzte, was jemand am Samstagabend sehen will, ist eine politische Lektion."

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Irak, 2003. Die US-Armee richtet sich in Bagdad ein. Einheiten suchen nach dem Kriegsziel: Massenvernichtungswaffen (WMD). Chief Roy Miller (Matt Damon) ist im Film Green Zone von Paul Greengrass Soldat. Er begreift, dass ihm die Vorgesetzten bis hinauf zum Präsidenten einen Bären aufgebunden haben - er beginnt, nach der Wahrheit zu suchen. In Green Zone finden die vielen Erzählungen, von denen der Irakkrieg umgeben wird, zusammen:

Medienversagen, Arroganz der Neokonservativen, Politignoranz. In der Form eines Actionkriegsfilms schreibt Paul Greengrass die Geschichte neu im Sinne einer verbindlichen Erzählung, die nach den Lügen der Bush-Jahre einen gemeinsamen Nenner bildet. Dass er Alternativen zur damaligen Vorgehensweise vorschlägt, ist mutig: Chief Roy Miller greift das Stichwort von einem "Deal" mit den Baathisten und der Irakarmee auf (die von der Bush-Administration in die Opposition und in den Untergrund getrieben wurden): ein Moment von Realpolitik in einem Hollywood-Genre.

Standard: "Green Zone" ist für einen US-Film überraschend kritisch gegenüber den Militärs. Könnte das dem Erfolg abträglich sein?

Damon: Ich glaube nicht, dass wir Militärs kritisieren. Wir zeigen einen Erkenntnisweg. Ein Mann sucht nach WMD. Er findet sie nicht, stellt Fragen. Was ist passiert? Das macht die Geschichte universal. Wir zeigen ein Militär, das handelt, wenn etwas zu tun ist. Die Kriegsgründe sind entscheidend, man muss sie ja den Soldaten gegenüber vertreten. WMD waren der Grund für den Irakkrieg. Inzwischen wissen wir, dass es sie nicht gab, also auch keinen hinreichenden Kriegsgrund.

Standard: Glauben Sie, dass die Soldaten bewusst belogen wurden?

Damon: Die Regierung sagte, dass sie falsch informiert wurde. Sie wollte aber den Krieg beginnen. Sie hat Sachen hervorgezerrt, die vom Geheimdienst als unverwertbar abgelegt worden waren.

Standard: Der Film löst die komplizierte Lage im Irak so auf, dass alles einer Identifikationsfigur untergeordnet wird, dem sehr idealisierten Roy Miller, den Sie spielen. Ging da nicht mehr Komplexität?

Damon: Das Letzte, was jemand am Samstagabend sehen will, ist eine politische Lektion. Deswegen ein Actionthriller, der in die Green Zone führt und eine Welt zeigt, in der Menschen unterschiedliche Gründe haben für das, was sie tun. Roy Miller ist jener, der das alles erlebt und sich daraus ein Bild zusammensetzt. So kommt er in die Lage, den wichtigen Satz an den Neocon aus dem Pentagon zu richten: "Was sagen wir den Menschen beim nächsten Mal, wenn wir ihr Vertrauen brauchen?"

Standard: Auf wen bezieht sich die Figur Roy Miller?

Damon: Auf Richard "Monty" Gonzalez, er war der Anführer des Mobile Exploitation Team Alpha. Sie sollten die Ersten sein, die diese Waffen finden und für CNN in die Kamera halten. Er begriff sofort, stand in einer Porzellanfabrik, und es gab keine Möglichkeit, das für eine getarnte Waffenfabrik zu halten. Er ist so alt wie ich, er ging zu Armee, ich wurde Schauspieler. Er sagte als Republikaner, mit Überwindung, etwas Kritisches über unser Land: Wir haben unsere moralische Autorität verloren.

Standard: Welche Lektionen gibt es aus dem Irakkrieg?

Damon: Ich weiß es nicht. Männer wie Monty sehen ihre Freunde sterben. Die Menschen in Amerika sind jedoch von dem Krieg distanziert, wenn sie keine Angehörigen haben. Wir mussten nicht einmal mehr Steuern zahlen, sie wurden gesenkt! Wenn man auf einer Straße unterwegs ist, würde man nie das Gefühl haben, dass die USA in zwei Kriegen sind. Bei Vietnam gab es Wehrpflicht, es konnte jeden treffen. Heute trägt eine kleine Schicht die Last. Die Opferlast ist ungleich verteilt.

Standard: Wie standen Sie persönlich 2003 zum Krieg?

Damon: Ich war 2003 dagegen, habe eine Petition unterschrieben, die sich für mehr Zeit für die Waffeninspektoren aussprach. Das schien vernünftig, hat aber Ärger gemacht. Wir dürfen nicht vergessen: 75 Prozent in Amerika dachten, Saddam Hussein hätte mit 9/11 zu tun, und viele hatten Angst vor einer "dirty bomb" . Ich erinnere mich an die Verunsicherung nach 9/11, die Menschen sind dann leichter zu bewegen. Aber ich lasse mich nicht gern von der Regierung in etwas hineintreiben. Warum so eilig? Das hat mich argwöhnisch gemacht.

(Bert Rebhandl, DER STANDARD/Printausgabe, 13./14.03.2010)