Das Produktionspotenzial für Bioethanol liegt in Österreich bei einer Million Kubikmeter jährlich. Rund vier Prozent des Treibstoffverbrauchs könnten durch Stroh gedeckt werden.

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Bereits 1988 hatten oberösterreichische Chemiker vor allem Stroh im Kopf, als sie verkündeten, in Zukunft werden wir gut mit billigem Treibstoff fahren. In einer Pilotanlage begann das Technikum der Voest Linz mit der Gewinnung von Bioethanol und legte das Projekt nach nur zwei Jahren auf Eis. Rohöl war wieder billig geworden, und somit zählte es für den Stahlkonzern nicht mehr zu den ganz heißen Eisen, Stroh in Sprit verwandeln zu können.

Dass diese alchemistische Fähigkeit nach zwanzig Jahren abermals gefragt ist, hängt dennoch nicht nur mit aktuellen Preisen an der Zapfsäule zusammen. Es ist die Bio-Kraftstoffrichtlinie der EU, die bis 2020 einen Biosprit-Anteil von zehn Prozent verlangt und seit zwei Jahren auch ein zehnköpfiges Forschungsteam der FH Wels beschäftigt. Und die Frage, was dafür überhaupt in den Tank kommt, wird zusehends relevanter. Getreide, Mais oder Zuckerrüben können nicht der Motor einer Entwicklung in Schwellenländern sein, wenn diese Rohstoffe nun auch Fahrzeuge in den Industrienationen antreiben sollen, meinen Kritiker. "Es bleibt ein Verteilungsproblem", kontert der Koordinator des Projekts, Alexander Jäger, stellvertretend für sein Team, das vorwiegend aus Wissenschafterinnen besteht. Theoretisch wären also auch Mais- oder Getreide-Anbauflächen groß genug für die Produktion für Biosprit.

Allerdings bliebe in Österreich eben jährlich rund eine Million Tonnen Stroh als Abfall übrig - selbst nach der Einstreu und bei Wiederverwertung als Dämm- oder Düngstoff. Dass die Herstellung von Biosprit aus landwirtschaftlichen Abfällen wie Stroh oder Holz daher Priorität genießt, liegt auf der Hand. Mehr als zwei Millionen Euro vom Bund und vom Land Oberösterreich stehen den Welsern und ihren Forschungspartnern als Fördergelder zur Verfügung - über die "Fabrik der Zukunft" genauso wie durch die Programme "FHplus in Coin" und die oberösterreichische Life-Science-Initiative (siehe Wissen). Gelder, die zur Beantwortung von Schlüsselfragen noch dringend nötig seien, meint Jäger.

Natürliche Einschränkungen

Vor allem die Öko-Bilanz eines Prozesses, der sich als Umwelttechnologie definiert, müsse nämlich im Auge behalten werden. Denn bis heute ist diese selbst im Labor negativ - zur Herstellung von Bioethanol aus Stroh muss noch immer mehr Energie hineingesteckt werden, als dadurch gewonnen wird. "Schuld" daran ist nur der Bauplan der Natur.

Die zur Bioethanol-Gewinnung relevante Zellulose ist im Stroh wie auf einer Perlenkette aufgefädelt, und die Kette selbst ist nur schwer zu durchschneiden. Damit die Zellulosefaser auch reißt und die eigentlichen Perlen - der Traubenzucker - gelöst werden können, wird das Stroh zuerst bei Temperaturen zwischen 120 und 200 °C in eine Art überdimensionierten Kelomat gesteckt. Dann folgt ein Schritt, den man zu Hause besser nicht nachmachen sollte: Der Kelomat wird schlagartig geöffnet. Erst bei dieser Dampfexplosion wird die Faserstruktur aufgebrochen, womit die Bestandteile des Gewebes für die spätere Vergärung zur Verfügung stehen. Im April 2010 wird das Kernstück dieser Technologie in Betrieb gehen - eine 60.000 Euro teure Anlage für das Steam-Explosion-Verfahren, deren Bau mit der agrarischen Förderung des Landes Oberösterreich unterstützt wurde.

Auch wenn Jäger die Vergärung nicht als die eigentliche Schwierigkeit im Prozess thematisiert, ist selbst bei diesem Schritt noch einiges an Optimierung nötig: Die maximale Ethanolkonzentrierung liegt derzeit nur zwischen sieben und acht Prozent, bis zu fünfzehn Prozent sollten im Sinne der Effizienz künftig möglich sein.

Bei der Bewertung aller vorliegenden Zwischenergebnisse lässt sich Jäger offensichtlich nur von wissenschaftlicher Ernsthaftigkeit leiten: Das Bioenergiepotenzial aus Reststroh werde weitgehend überschätzt, so seine Zusammenfassung. Bei fünfzigprozentiger Nutzung des in Österreich anfallenden Strohs könnten lediglich vier Prozent des Treibstoffes durch dieses Bioethanol ersetzt werden. Selbst bei Nutzung von Altpapier sowie bisher ungenutzten Restholzes bleibt der Substituierungsgrad unter 14 Prozent. Ein ungehobener Goldschatz bliebe Stroh für die Erzeugung von Biosprit also nur in Verbindung mit anderen Rohstoffen. Und dennoch könne die Nutzung einen wichtigen Beitrag als Alternative zu fossilen Energieträgern leisten. (Sascha Aumüller/DER STANDARD, Printausgabe, 17.03.2010)