Geburtstagsfeier im engeren Zirkel: Greenberg (Ben Stiller, re.), sein bester Freund Ivan (Rhys Ifans) undFlorence (Greta Gerwig) aus Noah Baumbachs Komödie "Greenberg".

Foto: Tobis

Noah Baumbach: "Es gleicht einer Jugendrebel-lion."

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Wien - Roger Greenberg (Ben Stiller) soll ein paar Wochen lang das Haus seines Bruders in West Hollywood hüten. Er steht kurz vor seinem 41. Geburtstag und hatte kürzlich einen Nervenzusammenbruch. Menschen machen Greenberg nervös. Er fühlt sich aber auch bei sich selbst unbehaglich. Zur Ablenkung schreibt er bisweilen Leserbriefe. Noah Baumbachs Greenberg ist ein Film, der in einer schwermütig-komischen Tonart von einem Menschen erzählt, der den Anschluss an die Gegenwart verpasst hat. Ben Stiller zeigt in dieser vergleichsweise ernsthaften Rolle ungewohnte Tiefe. Die eigentliche Entdeckung heißt jedoch Greta Gerwig, sie verkörpert die 25-jährige Florence, eine Lebensbummlerin, mit der Greenberg eine ungeschickte Liebesgeschichte beginnt.

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Dominik Kamalzadeh traf den Regisseur zum Gespräch.

Standard: Greenberg ist ein Mann in der Krise, keiner Mid-Life-Krise, es verhält sich komplizierter. Wie sehen Sie das?

Baumbach: Greenberg hat diese Art von Krise, die man sonst als 17-Jähriger hat. Bei ihm geschieht alles etwas spät. Es gleicht einer jugendlichen Rebellion, die erst mit 40 ausbricht. Was alle Charaktere meiner Filme irgendwie vereint, ist ihr Kampf mit starren Wahrnehmungen ihres Selbst. Das verstellt den Blick. Ich habe immer die Filme von Eric Rohmer bewundert, der dieses Thema wie kein anderer meisterte.

Standard: Jedenfalls ist Greenberg Ihre bisher neurotischste Figur ... Sein größtes Handicap?

Baumbach: Er ist selbst sein größter Feind. Dass er in seiner eigenen Welt gefangen ist, seine Lust an Meinungen, sein Zorn über die Welt, seine Frustrationen, seine große Angst vor Enttäuschungen: All das hat mich fasziniert. Mit 25 würde Greenberg eine Lösung finden, mit 40 macht es sein Leben unnötig kompliziert.

Standard: Auch modisch und frisurentechnisch ist Greenberg nicht auf dem letzten Stand.

Baumbach: Es gibt dieses schöne Timothy-Leary-Zitat: Die Lieblingsmusik eines jeden Menschen ist jene, zu der er seine Unschuld verloren hat. Über Greenbergs Kleidung und Gesten dachte ich: Das war das letzte Mal, als er sich cool fühlte.

Standard: An der jüngeren Generation zeigt sich Greenbergs Dilemma besonders deutlich. Florence, die Frau, in die er sich verliebt, ist ganz gegenwärtig.

Baumbach: Ich glaube, Greenberg wird durch diese neue Generation einerseits elektrisiert, zugleich empfindet er nur Verachtung.

Standard: Gab es diese Idee eines Generationenaustauschs von Anfang an? Greta Gerwig, die Florence spielt, steht ja auch für die "Mumblecore" -Bewegung, eine neuere Reihe von Independent-Filmen.

Baumbach: Ich habe Greta in diesen Filmen gesehen - das hat mich auch dazu gebracht, sie zu besetzen. Sie ist außergewöhnlich; ich habe allerdings keinen direkten Anschluss an Mumblecore gesucht. Aber es gibt Verbindungen: Greenberg ist mit 40, 41 in einem Alter, in dem es einem mit den eigenen Bezugspunkten in etwa so geht, als würde man seine Eltern über Zeiten sprechen hören, die einem vorausgingen. Wenn man einen Song wie It Never Rains in Southern California spielt und merkt, dass den keiner mehr so annimmt wie man selbst - dann ist das auch ein Moment der Selbsterkenntnis. Und diese Erkenntnis wollte ich auf Greenbergs Gesicht einfangen.

Standard: Der Film spielt auch mit dem Image Ben Stillers, der hier in einer seiner ungewöhnlichsten Rollen agiert. Wann kam er an Bord?

Baumbach: Beim Schreiben denke ich nicht an Schauspieler. Ich will die Rolle an niemandem festmachen. Eine der großen Freuden des Schreibens ist es ja, so zu tun, als würde dieser Mensch tatsächlich existieren. Ursprünglich war die Figur jünger - und ich hab mir gewünscht, Ben Stiller wäre es auch, damit er sie spielen kann. Das hat mich erst dazu veranlasst, darüber nachzudenken, welche Wirkung es hätte, ihn älter zu machen. Es half mir, den Film zu entdecken: Denn vieles, von dem wir zuvor gesprochen haben, kam erst dann richtig zur Geltung. Das höhere Alter machte den Film melancholischer und komischer. In diesem Punkt war Ben eine Inspiration. Er kann eine große Verwundbarkeit noch in Momenten ausstrahlen, in denen er rabiat ist.

Standard: L. A. wird in "Greenberg" von einer weniger bekannten, lebensnahen Seite gezeigt - es erinnert an Filme aus den 70er-Jahren.

Baumbach: In den Filmen von Paul Mazursky, John Cassavetes und Robert Altman hatte man immer das Gefühl, dass sie Los Angeles aus einem bestimmten Grund wählten und nicht nur, weil die Geschichte dort zufällig spielte. Als ich The Long Goodbye sah, liebte ich dieses Gefühl von L.A., ohne die Stadt überhaupt zu kennen. Jennifer Jason Leigh, meine Ko-Autorin und Frau, ist aus L.A., und durch sie hab ich auch die Stadt ganz anders sehen gelernt. Dieser Wechsel von Stadt zu Land, der Teile von L.A. bestimmt, gefällt mir besonders: die trüben Bilder aus Downtown, mit denen wir beginnen, und dann diese Hügel von West Hollywood, wo Florence den Hund spazieren führt.

Standard: Wie die Orte sagen auch die Musiknummern des Films viel über die Personen aus. Es gibt sogar eine Karen-Dalton-Referenz ...

Baumbach: Oh, die sagt bestimmt nicht sehr vielen etwas ... Ich mag das an Figuren, wenn sie sich über Geschmack und Vorlieben bestimmen - über die Musik, die sie hören; die Filme, die sie lieben. Der James-Murphy-Score ist die andere, wesentliche Ebene des Films. Das LCD-Sound-System-Album Sound of Silver war ein wichtiger Einfluss, als ich den Film geschrieben habe - es geht darin um ähnliche Dinge, ums Altern, um Selbstbewusstsein, um die Angst, seine Coolness zu verlieren. (DER STANDARD/Printausgabe 27.3./27.3.2010)