Die Leitstelle befindet sich bei der U3-Station Erdberg - zur Ansichtssache

Foto: jus/derStandard.at

An den Panoramawänden können die WL-Mitarbeiter den Betrieb der U-Bahnen kontrollieren

Foto: Wiener Linien

Im Prinzip ist noch für weitere Linien Platz, konkrete Pläne gibt es nicht

Foto: jus/derStandard.at

Neben dem Turm werden die U2 und U3 in der Nacht untergestellt und gewartet

Foto: jus/derStandard.at

In Erdberg steht ein elliptischer, ziegelsteinfarbener Turm. Es handelt sich um die Leitstelle der Wiener Linien (WL), von wo aus die Geschicke der U-Bahnen gelenkt werden. Wer in das Herzstück vordringt, das sich über den fünften und sechsten Stock erstreckt, könnte sofort an den Kommandostand eines Raumschiffes denken. Auf den meterhohen Panoramawänden leuchten mehr als hundert Bildschirme, auf denen die Mitarbeiter ausgewählte Bilder von den rund 1000 Kameras in den Stationen empfangen und die Positionen jeder U-Bahn-Garnitur ablesen können. Und davon sind immerhin mehr als 100 pro Tag unterwegs. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen Stromversorgung, Beleuchtung und Sicherheit.

Denn Wien liegt zwar weder in einem Erdbebengebiet, noch gilt es als Ziel von terroristischen Anschlägen. Die Wiener Linien sind trotzdem für den Notfall gerüstet. Ein Punkt, den Fahrer und Stationsaufsicht und das gesamte Außenpersonal im Training lernt: Im Notfall sofort die Leitstelle informieren, diese koordiniert dann Rettung und Polizei. "Es gibt regelmäßig Übungen mit Behörden, zum Beispiel zu dem Thema 'Wie gehe ich richtig in einen U-Bahntunnel'", sagt Thomas Kritzer von der Abteilung U-Bahnbetrieb.

Fußball-Stadion in einer Stunde leeren

Ausnahmen vom alltäglichen Betrieb gibt es auch bei bestimmten Großereignissen, wie etwa dem Donauinselfest oder der Fußballeuropameisterschaft 2008. Dann müssen die Intervalle der Züge verstärkt werden. "In einen Zug passen 880 Fahrgäste. Wir können also bis zu 24.000 Fahrgäste mit 2 ½-Minuten-Intervallen in einer Stunde abtransportieren", rechnet Kritzer vor. "Wenn der Betrieb automatisch läuft und es keine Vorfälle gibt, herrscht hier aber kein Stress", sagt der WL-Mitarbeiter.

Die gebogenen Panoramawände sind in Sektoren unterteilt. Jede U-Bahn hat einen eigenen Abschnitt für den zwei Stellwerksarbeiter zuständig sind und jede U-Bahnstation wird durch ein Kürzel aus zwei Buchstaben angezeigt. Auch die Durchsagen auf den Bahnsteigen kommen direkt von der Leitstelle. "Die Mitarbeiter sind für alle Stellwerke, also U-Bahnlinien, ausgebildet und wechseln regelmäßig", erklärt Kritzer den Ablauf. Sie sind für die Überwachung des Zugbetriebs zuständig, greifen bei Vorfällen ein und stehen in Kontakt mit der Stationsüberwachung. Bei Gebrechen können einzelne Teile der Gleise vom Stromnetz genommen werden, wodurch es möglich ist, die Reparaturen schneller durchzuführen.

Hinter den Stellwerkern sitzt in der zweiten Reihe die Leitstellenaufsicht, wieder ist jeder U-Bahnlinie eine zugeordnet. Sie hat die Gesamtverantwortung für den Linienbetrieb. Bei Brandmeldealarm und anderen Notfällen, treffen sie die Maßnahmen und koordinieren interne und externe Hilfskräfte. Auch Polizei und Feuerwehr rufen im Notfall an dieser Stelle an. Die Leitstelle ist auch in der Nacht besetzt, wenn es für die Fahrgäste "Betriebsschluss" heißt. Es gibt drei Schichten, die durchgehend den Betrieb kontrollieren: Die erste startet um 6 Uhr Früh, die letzte um 22 Uhr. Nachts werden zum Beispiel Züge verschoben, Transportfahrten für den U-Bahnausbau und Messfahrten unternommen.

Schlafplatz für die U-Bahnen

Außerdem befinden sich in Erdberg die Remisen, in denen die Wagons der U2 und U3 "schlafen", wie es Pressesprecher Dominik Gries beschreibt. Früher war die Leitstelle im Keller unter dem Karlsplatz untergebracht, doch nach einigen Erweiterungsrunden wurde der Platz zu knapp. "Ein großer Vorteil für die Mitarbeiter ist nun auch, dass Tageslicht hereinfällt", sagt Kritzer. Das Oberlicht kommt direkt durch ein Glasdach, Vorhänge und architektonische Mittel verhindern Spiegelungen auf den Monitoren und Bildschirmen. Das Kunstlicht ist so abgestimmt, dass den ganzen Tag ein gleichmäßiger Lichtpegel herrscht.

Was ist mit der U5 passiert?

Vorausplanen ist alles, immerhin hat die Leistelle inklusive aller Kabelanbindungen mehr als 40 Millionen Euro gekostet. Im Prinzip sei für eine weitere Linie Platz, bestätigt Kritzer. Zurzeit sei jedoch nichts Konkretes geplant. Die WL entscheiden nicht alleine über Erweiterungen und Ergänzungen im Netz der öffentlichen Verkehrsmittel, sondern arbeiten mit der MA 18 (Stadtentwicklung und Stadtplanung) zusammen. In den 60er und 70er Jahren wurde zwar ein "Zielnetz" definiert, eine Stadt entwickelt sich jedoch über Jahrzehnte oft anders als erwartet. Daher müssen auch Linien anders gebaut werden, sagt Thomas Kritzer. 

Eine U5 sei aber grundsätzlich noch möglich, sagt der WL-Mitarbeiter: "Daher wurde die Linie U6 auch so beziffert, da die Pläne für eine U5 grundsätzlich noch existieren. Die U5 wäre ursprünglich so geplant gewesen, dass sie aus der Innenstadt nach Hernals fährt. Aber im Moment ist das kein Thema." (Julia Schilly, derStandard.at, 8. April 2010)