Maurizio, der sozusagen Lamborghini-eigene Rennfahrer, steht in der Boxengasse der Rennstrecke Monteblanco und hält zwischen den Daumen und Zeigefingern ein imaginäres, fragiles Spinnennetz, das er langsam hin und her dreht. Er erklärt, wie man mit dem Gallardo Superleggera noch schneller über den Kurs kommt:

Foto: Guido Gluschitsch

"Du darfst, wenn du aus der Kurve kommst, nur vorsichtig aufs Gas gehen – je weiter du die Lenkung aufmachst, desto stärker kannst du beschleunigen. Wenn du am Scheitelpunkt voll ins Gas latschst, bekommen die Reifen den Druck nie auf die Piste." Wer brutal und digital fährt, den kickt der Gallardo – einmal ins Kreuz, einmal in die Seite, und im schlimmsten Fall, ohne ESP, locker auch von der Strecke, wenn der Grip ausgeht.

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Im Verhältnis 30 zu 70 verteilt der Gallardo seine 570 PS und 540 Newtonmeter aus dem 5,2 Liter großen V10-Triebwerk auf die Vorder- und Hinterreifen. Die eigens für dieses Auto entwickelten Pirellis stehen dieser brutalen Kraft genauso hilflos gegenüber wie unsereins nach 200 Kilometern auf der Rennstrecke dem leeren Tank.

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Die Reifen müssen zu Mittag runter. Zu hartes Anbremsen, zu hektisches Einlenken und besinnungsloses Gasgeben haben die Pneus der Journalisten-Lambos vernichtet, während Maurizio auch am Nachmittag noch mit dem ersten Satz fahren kann.

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In der Boxengasse bleibt der Verbrauch des Superleggera leicht einmal bei zehn Litern. Am Ende der Start-Ziel-Geraden ist davon aber nichts mehr zu merken, wenn man mit rund 300 km/h die erste Kurve anbremst.

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Am Ende des Turns sind im Schnitt mehr als 40 Liter Treibstoff pro hundert Kilometer in den V10 geflossen. Ausfahren lässt sich der Lambo auf dieser Rennstrecke nicht – zumindest nicht von mir und unter Aufsicht von Maurizio. Er fährt voraus und wählt die Bremspunkte nach der Bachblütenmethode – sicher ist sicher.

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Trotzdem weiß Lamborghini-Präsident Stephan Winkelmann, dass die Höchstgeschwindigkeit nicht mehr so wichtig ist wie noch vor drei Jahren, eben deswegen, weil man die 325 km/h ja nicht einmal auf den meisten Rennstrecken ausfahren kann: "Design ist für uns und unsere Kunden immer noch am wichtigsten, dann sind aber Beschleunigung und gutes Handling in der Hierarchie vor den Top-Speed gewandert."

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Mit den 3,4 Sekunden, in denen der Lamborghini von null auf hundert marschiert, braucht man sich echt nicht verstecken – auch wenn es total flott gehen würde. Und das Handling des Superleggera ist schon fast unglaublich. Selbst Fahranfänger würden mit diesem Auto heil bis zum Bäcker kommen, solange sie nicht niesen müssen und dabei ungewollt das Gaspedal in den mit Alcantara tapezierten Boden treten.

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Ins Alcantara – in dem Fall am Armaturenbrett – beißt auch, wer sich nicht anschnallt. Wenn der Pilot die acht Kolben der vorderen und die vier der hinteren Alu-Sättel auf die enormen Bremsscheiben knallen lässt, kriegen zarte Menschen leicht einmal Nasenbluten, weil das Trägheitsgesetz ja auch auf den Lebenssaft wirkt.

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Aber wir sind harte Männer, zirkeln den zehn PS stärkeren und 70 Kilogramm leichteren LP570-4 Superleggera – verglichen mit dem 560-4 – um den engen Rundkurs, als hätten wir ein Spinnennetz statt eines Lenkers zwischen den Fingern und müssten mit unseren Füßen ein Puzzle lösen, statt einen Lambo um die Rennstrecke wuchten.

Foto: Guido Gluschitsch

Einziger Nachteil einer flotten Rundenzeit: Man ist dabei so konzentriert, dass man den Stier hinter sich gar nicht mehr brüllen hört – oder Maurizios Funksprüche, endlich wieder in die Box zu fahren. (Guido Gluschitsch/DER STANDARD/Automobil/2.4.2010)

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