Stiftungen - gemeinnützige Stiftungen - nehmen in vielen Ländern eine viel gewichtigere Rolle in der Gesellschaft ein als in Österreich. Es müssen gar nicht Bill und Melinda Gates sein, die mit insgesamt 33,5 Milliarden Dollar versuchen, Afrika von Viruserkrankungen zu befreien. Es sind oft kleine Projekte, die die größte Wirkung erzielen: Der Sexualforscher Alfred Kinsey wurde beim Kinsey-Report, der ersten großen Umfrage in den USA über das Sexualverhalten, von der Rockefeller Foundation unterstützt, die damit den Weg zur "sexuellen Revolution" in den 1960er-Jahren bereitete.

Auch die österreichische Geschichte bis 1914 ist voll von innovativen Stiftungen: Die Grundsteine des heutigen Clara-Fey-Kinderdorfs (gleichzeitig die "Hofzeile" -Schule in Wien 19) stammen von Stefan Esders, Gründer der Texhages-Textilhandelskette. Gottfried von Preyer, Domkapellmeister von St. Stephan, vermachte 1901 sein Vermögen der Stiftung vom Preyer'schen Kinderspital.

Für rund 80 Jahre übernahm nach 1918 und nach der weiteren Vernichtung von privatem Vermögen bis 1945 (speziell auch nach der Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung, die bei Stiftungen besonders aktiv war) der Staat die Gesamtverantwortung für das Sozialwesen und war in der Verbreitung sozialer Sicherheitsnetze sicherlich viel erfolgreicher als Einzelinitiativen von Stiftern. Was allerdings fehlte, waren jene innovativen Lösungen, die mit dem Entstehen neuer sozialer und ökologischer Probleme Schritt halten müssen.

Die bekannten Probleme in der mobilen Pflege, in der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund, in der ländlichen Abwanderung, in der Berufsbildung von Menschen mit Behinderungen - um nur ein paar zu nennen - gibt es nicht nur aus Geldmangel, sondern auch aus Mangel an innovativen Lösungen.

Der sukzessive Rückzug des Sozialstaats, verbunden mit dem neuen Entstehen von Privatvermögen, führt nun zu einer Trendwende, die gerade Österreich erreicht. Zwei Stiftungen verstehen sich hier als die "Vorhut" : Die Erste Stiftung (26-Prozent-Eigentümer der Erste Bank) ist nicht nur in Österreich durch die Gründung der Zweiten Sparkasse bekannt geworden, sondern ist in Zentral- und Osteuropa eine der wichtigsten Anlaufstellen für alle Sozialorganisationen.

Die Essl Foundation, gegründet von Baumax-Chef Martin Essl und seiner Familie, vergibt alljährlich den mit einer Million Euro dotierten Essl Social Prize, mit dem innovative Sozialunternehmer ausgezeichnet werden. Heuriger Preisträger ist Bill Drayton, Gründer von Ashoka, dem weltweit größten Netzwerk von Social Entrepreneurs.

Anlässlich der Verleihung dieses Preises kommt es ab 17. April zu einem weltweiten Spitzentreffen von "Social Entrepreneurs" mit Philanthropen und Unternehmern in Wien, und die Bundeshauptstadt könnte in der Folge zu einer Hauptstadt dieser Bewegung aufsteigen. Gerade jetzt wäre eine gute Zeit für so manchen Stifter, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen. Denn aus Kapital und Besitz wird damit auch Wert und Vermögen. (*Michael Fembek, DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.4.2010)