Der britische Sender ITV schickt C-Promis vor die Tür und spart sich so den Dschungel: Auch hier wartet Ekeliges.

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Zwischen Stillstand und Aufbruch schwankt die Stimmung an den Ständen der Fernsehmesse Mip-TV. Durch die Krise ausgelöste Strategien werden zögerlich, aber doch konsequent verfolgt. Daneben eröffnen sich bei Programmen Perspektiven, die die Augen angeschlagener Fernsehmanager wieder zum Glänzen bringen. Vor dem Hintergrund der überdominanten US-Fiction wollen sich Produzenten und Sender behaupten. Die Programmtrends:

  • Internationalisierung bei Fernsehfilmen: Nach wie vor scheuen Sender das Risiko und rücken deshalb näher zusammen. Durch Koproduktionen werden Kosten geteilt. Der Preis dafür ist der Einheitsgeschmack, der getroffen werden muss. Weil es dafür noch nicht die richtige Lösung gibt, gehen TV-Stationen davon aus, dass am ehesten bekannte Stoffe diese Anforderungen erfüllen: Herbert Kloiber (ATV) entwickelt mit seiner Tele München sowie Partnern RTL und ORF Moby Dick, Jan Mojtos Eos produziert Hindenburg, Laconia, Borgias und Pius XII. Dem Trend verschließen sich auch US-Sender nicht: Im Fernsehfilm über den Ersten Weltkrieg ist unter anderem auch HBO an Bord. International bekannte Schauspielgrößen wie Sigourney Weaver (Prayers for Bobby) und Omar Sharif (The Last Templar) versprechen Zugkraft allein durch ihre Namen.

  • Regionalisierung findet bei Show und Entertainment statt: Streng beäugen Käufer Spieleshows in anderen Ländern: Was funktioniert, was floppt? Ist das geklärt, wird wild adaptiert. Die Briten sind hingerissen von FremantleMedias Push the Button. Das interessiert Kollegen: Die Show der britischen Formaterfinder Ant & Dec ist Thema Nummer eins in Cannes. Kandidaten absolvieren darin Partyspiele. Estas Invitado aus Spanien lädt Kandidaten 48 Stunden in ein Haus. Die Gäste stehen miteinander irgendwie in Verbindung, wissen nur nichts davon. Schwestern, Väter, Söhne und Töchter liegen sich am Ende schluchzend in den Armen. Das funktionierte lange in Daily Talkshows. "Häftling sucht Frau" spielen die Niederlande in Prisoner of Love.

    Eine Renaissance der Ekelshow versucht The Door: ITV spart den Dschungel aus und schickt C-Promis zum Fischköpfekochen einfach vor die Tür. Face It steckt Kandidaten bis zum Kopf in Würfel. Aufgaben dürfen sie nur mit dem Mund lösen, was, wenn der Frosch auf sie zukommt, schnell unappetitlich werden kann. Dem japanischen Publikum gefällt's. Spaß verspricht die Improvisationscomedy Deal With It aus Israel. Die Moderatoren flüstern Laien ein, was sie tun sollen. Die überraschen ihr Gegenüber etwa mit unerwarteten Gesangseinlagen. In der französischen Sexshow GQMm gewinnt, wer den "G-Point" erreicht. Wissen vorausgesetzt: "Nenne einen Kondomgeschmack, der nicht existiert!"

  • 3-D und Digitalisierung lässt Produzenten am ehesten an Aufbruch glauben: An vielen Ständen liegen 3-D-Brillen. Animation, Fantasy, Naturdokus, gar dreidimensionale Erotik - überall wird ausprobiert, wie es gefällt. Ob die Tiefenwirkung allerdings auch im Fernsehen den erwünschten Kaufrausch bringen wird, trauen sich die meisten nicht zu prophezeien.

    Zusätzliche Einkünfte kündigen sich hingegen durch medienübergreifende Strategien an, wie sie etwa Heroes-Erfinder Tim Kring vorzeigt: Mit der US-Serie über Alltagshelden schaffte er eine Community, die sich vom Programmschema loslöst und über Homepage, Facebook und Twitter in kreativster Weise hochaktiv ist und so die Serie an unterschiedlichen Ecken fortschreibt. Video-on-Demand-Angebote sollen die Einbrüche bei DVD-Verkäufen möglichst zügig ablösen. (Doris Priesching aus Cannes, DER STANDARD; Printausgabe, 17./18.4.2010)