Fischer in der Hofburg über den Ortstafelstreit in Kärnten: "Helfen Sie mir! Sie können nicht von mir erwarten, dass ich jetzt auf diesen Tisch haue, und in sechs Monaten ist dieses Problem gelöst."

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Standard: Sie wollen in Ihrer zweiten Amtszeit deutlicher werden. Auch schon in diesem Gespräch?

Fischer: Deutlichkeit ist noch kein Wert an sich. Immerhin steht dabei auf dem Spiel, dass man vernünftige Antworten gibt, nicht?

Standard: Weil Sie ständig abwägen, gelten Sie als Präsident, den man kaum auf eindeutige Aussagen festnageln kann.

Fischer: Aber das ist doch eine gute Eigenschaft, wenn der Bundespräsident nicht überspitzte Polemiken führt, sondern man sich auf seine Aussagen verlassen kann.

Standard: Neun Jahre nach dem Spruch der Verfassungsrichter stehen jedenfalls keine zusätzlichen zweisprachigen Ortstafeln in Kärnten. Ist Ihnen das als Staatsoberhaupt nicht unangenehm?

Fischer: Na sicher ist das unangenehm! Eine sehr traurige Tatsache.

Standard: Sie könnten doch Druck auf Regierung wie Parlament ausüben, das entsprechende Gesetz zu beschließen.

Fischer: Ich bemühe mich ja.

Standard: Wie?

Fischer: In Gesprächen, in Reden, in Interviews. Aber eine Lösung kann es nur durch politische Einsicht geben. Ich könnte es nicht verantworten, dass wir unsere Soldaten nach Kärnten schicken und dort Sturmgewehre in Stellung bringen, um dann die aufgestellten Ortstafeln zu schützen.

Standard: Sie könnten aber in die Geschichte eingehen, wenn Sie ...

Fischer: Na, helfen Sie mir! Ich glaube, dass es für Österreich, Kärnten, den Rechtsstaat und auch den Verfassungsgerichtshof gut wäre, den Ortstafelstreit beizulegen. Die Kärntner Regierung trägt schwere Verantwortung, wenn sie eine vernünftige und auf dem Staatsvertrag beruhende Lösung weiter verhindert.

Standard: Auch die Bundesregierung tut nichts.

Fischer: Deshalb können Sie auch nicht von mir erwarten, dass ich jetzt auf diesen Tisch haue, und in sechs Monaten ist dieses Problem gelöst. Das ist naiv.

Standard: Zum Burgenland: Wann werden Sie sich als Oberbefehlshaber des Heeres dafür einsetzen, dass die Soldaten endlich von der Ostgrenze abziehen?

Fischer: Es wird nach dem Sommer eine Debatte geben und dann entschieden, ob man den Einsatz Ende des Jahres beendet.

Standard: Verfassungsrechtler halten den Aufmarsch im Hinterland für bedenklich, seit dem Fall der Schengen-Grenze widerspricht das auch dem Geist der EU.

Fischer: Unter den Juristen gibt es unterschiedliche Meinungen. Von eindeutiger Verfassungswidrigkeit kann man nicht reden.

Standard: Das Militär hat 2009 ein schwaches Dutzend illegaler Einwanderer aufgegriffen.

Fischer: Der Einsatz soll ja auch prohibitiv wirken, dass viele erst gar nicht versuchen zu kommen. Und in einer Zeit, in der bestimmte Parteien die Angst als Wasser auf ihre Mühlen betrachten, ist es staatspolitisch klug, der Bevölkerung Sicherheit zu geben.

Standard: Auch die Bevölkerung in Wien hat ein Sicherheitsbedürfnis - da käme niemand auf die Idee, Grundwehrdiener einzusetzen.

Fischer: Das ist ja nicht vergleichbar. Hier haben wir eine starke Wiener Polizei, die das macht.

Standard: Sie werben mit dem Slogan "Wer Grenzen im Kopf zieht, begrenzt die eigene Welt" . Für das Burgenland gilt das also nicht?

Fischer: Es gilt selbstverständlich. Die Soldaten sind ja keine Grenzzäune. Die Grenzen Österreichs sind so wie die Grenzen der anderen Schengen-Länder, und ich kann nicht ausschließen, dass der Einsatz 2011 beendet wird.

Standard: Würden Sie Martin Graf (FP) einen Orden im Namen der Republik verleihen?

Fischer: Nein - weil ich die Auszeichnungswürdigkeit, die vom Gesetz gefordert würde, in diesem Fall nicht erkennen kann.

Standard: Wie hat sich der 3. Nationalratspräsident disqualifiziert?

Fischer: Mit dem Gesamtverhalten.

Standard: Es war also ein Fehler, dass ÖVP und SPÖ den Freiheitlichen ins Amt gewählt haben?

Fischer: Im Nachhinein betrachtet, natürlich. Man hätte die Möglichkeit gehabt, mit der drittstärksten Partei ernsthaft darüber zu reden, wer ihr Vertreter im Präsidium sein soll. In meiner Zeit als Nationalratspräsident ist einmal der Erstvorgeschlagene der FPÖ auch nicht gewählt worden.

Standard: Würden Sie Barbara Rosenkranz im Falle einer blauen Regierungsbeteiligung angeloben?

Fischer: Ich nenne keine Namen in dieser Hinsicht, bevor nicht die Regierungsbildung ansteht.

Standard: Wir fragen, weil Rosenkranz am Verbotsgesetz gerüttelt und bei den Gaskammern herumlaviert hat.

Fischer: Ich finde es ungeheuerlich, dass man hinter die Existenz von Gaskammern ein Fragezeichen setzt, sich aufs Schulwissen reduziert.

Standard: Lehnen Sie deshalb ein TV-Duell mit Rosenkranz ab?

Fischer: Ja. Ich will nicht mit jemandem an einem Tisch sitzen, mit dem ich in größter Heftigkeit das Thema Gaskammern erörtern müsste.

Standard: Beim Korporationsball in der Hofburg feiern rechtsextreme Politiker wie Filip Dewinter vom belgischen Vlaams Belang mit. Stört Sie das nicht?

Fischer: Es stört mich, aber meine Behaglichkeit ist keine politische Kategorie. Sie wissen, wie ich zu diesen Burschenschaften stehe. Auf diesen Teil des Hofburg-Komplexes habe ich keinen Einfluss.

Standard: Es geht hier aber um das Bild Österreichs nach außen.

Fischer: Deshalb bemühe ich mich auch täglich um ein gutes Bild Österreichs in der Welt.

Standard: War es ein Fehler, jemals nach Nordkorea zu reisen?

Fischer: Nein. Es reisen immer wieder Vertreter unseres Landes auch in Staaten, deren System wir ablehnen. Ich war 1974 das erste und letzte Mal in Nordkorea. Eine schreckliche Diktatur. Ich hatte damals von einer japanischen Zeitung eine Einladung für einen Vortrag und bin über Pjöngjang nach Tokio gereist. Im Hotel in Pjöngjang ist mir der Ehering hinuntergefallen, unters Bett gerollt. Dort such ich ihn - und was habe ich in der Hand? Die Abhörkabel!

Standard: Bruno Kreisky wird folgendes Zitat über Sie nachgesagt: "Aus dem Heinzi wird noch was. Immer wenn's schwierig wird, ist er am Klo und kommt erst zurück, wenn die Sache ausgestanden ist." Dichtung oder Wahrheit?

Fischer: Eine bösartige Erfindung, die Jahre nach dem Tod von Kreisky in Umlauf gesetzt wurde! Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich bei Abstimmungen und Entscheidungen konsequent anwesend war. Als Klubchef war ich immer da. Auch als Nationalratspräsident bin ich oben gesessen und habe nicht die Glocke weggelegt und gesagt: "Ich muss aufs Klo!" (Peter Mayr und Nina Weißensteiner, DER STANDARD, Printausgabe, 17./18.4.2010)