Bild nicht mehr verfügbar.

Emanzipatorische Erziehung für Jungs, die zwischen "emanzipierten Müttern und frauenverachtenden Hip-Hoppern" leben, fordert das Männermanifest.

Foto: REUTERS/Hannibal Hanschke

Dass es auch Feministen geben kann, wurde von Feministinnen vielfach verneint. Sich für Frauenrechte stark machen und feministische Kritik zu leisten sei Frauen vorbehalten, gehört doch die Positionierung in der Gesellschaft, der Ort, von dem aus kritisiert wird, zu den wesentlichen Analyseinstrumenten von Feministinnen. Und dass Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern von Männern erkannt, benannt und öffentlich kritisiert wird, gehört auch zu den selteneren Phänomenen. Ein weiteres Argument gegen Feministen: Jene, die bestimmte Rechte für sich fordern, sollen für sich selbst sprechen, um nicht neuerlich in die eine oder andere Bevormundungsfalle zu tappen.

Dennoch beschränkt sich die Arbeit des Feminismus nicht nur auf die Befreiung von Frauen, er kann in einem Aufwasch auch eine Lockerung von beschränkenden Rollenzuschreibungen für alle erreichen. Dieser Arbeit will sich nun eine Gruppe von Männern anschließen, die die Ausweitung des "männlichen" Handlungsspielraums auf ihre Agenda setzten. Das Ergebnis ist ein am 9. April von 21 deutschen Grün-Politikern veröffentlichtes "Männermanifest". Unter dem Titel "Nicht länger Machos sein müssen" setzten die Männer dort an, wo es nicht wenigen Geschlechtsgenossen die Nackenhaare aufstellt, bei dem Begriff "Gender", respektive bei dem "sozialen Geschlecht". Denn wenn das biologische mit dem sozialen Geschlecht nicht harmoniert, bekommen auch Männer Ärger. Nicht selten wird ein Ausscheren aus traditionellem männlichem Verhalten mit symbolischer Kastration quittiert, etwa, wenn sie nicht die Besserverdienenden in der heterosexuellen Beziehung sind, sich in die Babypause verabschieden oder schwul und "trotzdem" Fußballspieler sind.

"Wir als männliche Feministen"

"Wir brauchen ein neues Bewusstsein für eine neue Männlichkeit. Wir als männliche Feministen sagen: Männer gebt die Macht ab! - es lohnt sich", heißt es im Manifest. Das Bild vom männlichen Hauptverdiener soll verschwinden, neue Zeitmodelle in Unternehmen sollen für Männer die Lebensarbeitszeit reduzieren und "nicht-klassische" Erwerbsbiographien sollen ermöglicht werden. Während in Sachen Erziehung und Bildung in den letzten Jahren eher unreflektiert eine Bevorzugung von Mädchen, die doch endlich eine Ende habe müsse, diagnostiziert wurde, fordert hingegen das Männermanifest eine "emanzipatorische Erziehung" für Jungs, die zwischen "emanzipierten Müttern und frauenverachtenden Hip-Hoppern" leben. Eine solche Erziehung soll die individuellen Stärken von Burschen und Mädchen fokussieren, denn das "Interesse an Maschinenbau ist nicht angeboren." 

Gegenüber den sogenannten "neuen Väter" äußerst man sich im Manifest skeptisch und kritisiert, dass das "neue" nur eine "verlängerte Auszeit vom Job" meint, und zwar "in der Regel dann, wenn die ersten zwölf Monate nach der Geburt glücklich überstanden sind." Die Verfasser wollen aber eine paritätische Aufteilung der Elternzeit, was mehr Verantwortung für Väter bedeute und Unternehmen zum Umdenken zwinge. Neue, moderne Partnerschaftskonzepte, Männer in Kitas und Grundschulen, Männer, die sich um ihre Gesundheit sorgen und Prävention von Männerkrankheiten sind weitere Forderungen des Männermanifestes.

Männerbewegung, jenseits von "Männerrechtler"

Herkömmliche Männerrechtsgruppen mussten aufgrund eines offensichtlich patriarchalen Weltbildes, Entrüstungen über drohenden Machtverlust und frauenverachtenden Vorschlägen (wie ein "unbeschränkter Zugang zu Vaterschaftstests für alle (angeblichen) Väter", wie die österreichische "Männerpartei" fordert) bisher darauf verzichten, als progressive und emanzipatorische Bewegung ernst genommen zu werden. Im Männermanifest herrscht hingegen eine deutlich andere Richtung vor. Der Bruch mit traditionellen Normvorstellungen ist ein wichtiger Faktor im Manifest, mit diesem sollen auch Umstrukturierungsprozesse - beispielsweise am Arbeitsmarkt - angestoßen werden. Auch werden gegenwärtige Probleme nicht dem Feminismus in die Schuhe geschoben, dieser wird vielmehr als wichtige Bewegung verstanden, aus der Mann lernen kann und muss. Auch den Gestus der Benachteiligung spart sich das Männermanifest an den meisten Stellen, der eigenen ökonomischen und sozialen Vormachtstellung ist man sich durchaus bewusst. Die Manifestler haben aber auf diese Vormachtstellung einfach keine Lust mehr. 

Letztendlich sind die Forderungen des Männermanifestes aber in keinster Weise neu, müssen sie doch von Feministinnen schon viel zu lange immer wieder aufs Tapet gebracht werden. Neu ist allerdings der eingangs erwähnte Ort, von dem aus diese Forderungen gestellt werden: Vom Standpunkt jener Männer, die sich an emanzipatorischen Politiken beteiligen wollen. (dieStandard.at, 21.4.2010)