Was tun mit den Häftlingen von Guantánamo? Wie man den Fall auch wendet, er bleibt ein Dilemma. Es gibt gute humanitäre Gründe für die Europäer, die USA zu unterstützen und einigen der Verschleppten so etwas wie Freiheit wiederzugeben. So handhaben es die Franzosen, Italiener und auch die Schweizer. Auf der anderen Seite: Warum sollten die Europäer das tun und den Amerikanern dabei helfen, eine von Beginn an höchst umstrittene Praxis aus der Welt zu schaffen, die sie weder mitverantwortet noch gutgeheißen haben? Auch wenn Präsident Obama nicht direkt dafür verantwortlich ist, Verdächtige ohne ordentliches Verfahren für Jahre wegzusperren, ist es an Washington, die Sache, so gut es geht, zu sanieren.

Das Mindeste, was die USA tun können, ja müssen, ist jene aufzunehmen, die jahrelang schuldlos in Guantánamo interniert wurden. Das Mindeste ist, dass die Obama-Regierung jenen, die sie für schuldig hält, ein ordentliches Verfahren vor einem US-Gericht zugesteht – nach jenen Standards von Freiheit und Demokratie, in vermeintlich deren Namen viele auf Kuba inhaftiert wurden. Und das Mindeste ist, dass die USA jene angemessen entschädigen, die wie Mustafa Ait Idir (siehe Schwerpunktseite) heute in Europa leben und nicht wissen, wie sie ihre Familien ernähren sollen.

Dann, und erst dann, werden die USA auch unter Präsident Obama diesen Schandfleck in ihrer jüngeren Geschichte glaubhaft neutralisiert haben. Auch das ist ihre Verantwortung, und nicht jene der Europäer. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 22.4.2010)