Dieses Votum fiel deutlich aus: Jeder zweite Wahlberechtigte hat sich dafür entschieden, nicht an der Bundespräsidentenwahl teilzunehmen. Die meisten mit der Begründung, es werde ohnehin Heinz Fischer. Mitschuld an dieser niedrigen Wahlbeteiligung sind Grüne und ÖVP, die - wie auch das BZÖ - keine Kandidaten aufgestellt haben. Die ÖVP-Spitze hat mit ihren Aufrufen, weiß zu wählen, ihr übriges dazu beigetragen.

Da auch die FP-Kandidatin Barbara Rosenkranz nicht einmal annähernd die angepeilten 35 Prozent erreicht hat, sollte das Fernbleiben der Wähler eine Aufforderung an alle Parteien sein, das Wahlrecht zu ändern - statt gegenseitiger Schuldzuweisungen. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um offen über alles zu diskutieren: von der Amtsausübung bis zur Abschaffung. Das Nachbarland Schweiz kommt ohne Staatsoberhaupt aus. Der Bundespräsident wechselt jährlich, die Bundesversammlung wählt jedes Jahr einen anderen Bundesrat, der dann als Primus inter Pares agiert und das macht, was auch bei uns die Herren in der Hofburg zu tun pflegen: Ansprachen zu Neujahr und am Nationalfeiertag zu halten und das Land bei Besuchen im Ausland zu vertreten.

Da in einer nunmehr kleinen Republik, in der die Hofburg überdimensioniert erscheint und sogar Kabarettisten in der Rolle des "Ersatz-Kaisers" zugejubelt wird, ein solcher Vorschlag derzeit wenig Chance auf Realisierung hat, bleibt nur, die Wahlmodalitäten zu ändern. Eine Lehre aus dem Wahlkampf und dem hohen Nicht-Wähleranteil: Keine Wiederwahlmöglichkeit. Fischer selbst hat stattdessen eine Amtsperiode von acht Jahren vorgeschlagen, was im internationalen Vergleich lange ist. In den meisten Ländern amtiert ein Präsident fünf Jahre. Ein häufigerer Wechsel könnte mehr Schwung in die Hofburg bringen. Für die Volkswahl spricht, dass nicht Parteien, sondern die Wähler direkt entscheiden.

Man darf gespannt sein, ob der wiedergewählte Bundespräsident Heinz Fischer seine Ankündigung, in der zweiten Amtszeit werde er deutlicher werden, tatsächlich umsetzt. Er könnte sehr viel deutlicher werden. Die Macht des Wortes haben deutsche Bundespräsidenten, die viel weniger Befugnisse als ihre österreichischen Kollegen haben, stärker genutzt: Richard von Weizsäckers Aussagen hatte außen- wie innenpolitisch Gewicht, Roman Herzog rief in seiner ersten Berliner Rede 1997 dazu auf, dass endlich ein Ruck durch das Land gehen müsse. Auch Horst Köhler treibt die Regierung immer wieder zu Reformen an. Von Heinz Fischer war höchstens ein leichtes Antippen zu verspüren.

Durch die große Koalition befindet sich das Land in einer großen Lähmung. Bis zu den nächsten Landtagswahlen in der Steiermark und Wien im Herbst steht die reale Politik still, erst dann kommen die Steuererhöhungswahrheiten von SP und VP ans Licht.

Die Zeit sollte genutzt werden, das Wahlrecht insgesamt zu reformieren und gleichzeitig die Vorschläge der OSZE-Wahlbeobachter, die die mangelnde Transparenz bei Parteispenden in Österreich kritisch sehen, aufzugreifen: Nicht nur über das Präsidentenamt, sondern auch über die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers und die verschiedenen Modelle eines Mehrheitswahlsystems sollte ohne Tabus diskutiert werden. Wenn, wie bei der Präsidentschaftswahl, so viele den Eindruck haben, es bleibe ohnehin alles beim Alten, dann werden immer mehr bei Wahlen zu Hause bleiben. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.4.2010)