Weiß und schlicht: Die Boklok-Modelle sind den regionalen Marktwünschen angepasst. Die beiden größten Vorteile sind Verdichtung und Preis. Ab 99.000 Euro wohnst du schon.

Visualisierung: Boklok

Das schwedische Möbelhaus Ikea hat rund 12.000 Artikel im Sortiment. Letztes Wochenende wurde das Angebot erweitert: Neben Billy, Faktum und Kvart kann man seit 24. April auch Fertighäuser shoppen. Zumindest in Deutschland. Unter dem Produktnamen Boklok, was so viel bedeutet wie "clever wohnen", bietet Ikea fünf Reihenhäuser und Apartmentwohnungen an. Das Konzept ist wie am ersten Tag: wenig anspruchsvoll, praktisch im Gebrauch und unschlagbar billig.

"Wir wollen mit unseren Häusern keinen Architekturpreis und keinen Schönheitswettbewerb gewinnen", sagt Ewa Magnusson, Pressesprecherin der in Malmö ansässigen Ikea-Tochter Boklok AB. "Seit unserer schwedischen Markteinführung im Jahr 1997 haben wir fast viereinhalbtausend Wohneinheiten verkauft. Die Zahlen beweisen, dass die Nachfrage nach günstigem Wohnraum mit einem gewissen Flair, auf den man ja auch nicht verzichten will, gar nicht so klein ist."

Tatsächlich wird Boklok von Jahr zu Jahr größer: In der Zwischenzeit kann man die Instanthäuser auch in Norwegen, Finnland und Dänemark kaufen. 2008 war Markteintritt in Großbritannien. Mit dem Launch auf dem deutschen Markt möchte man nun nach Mittel- und Westeuropa vordringen. Warum gerade Deutschland? "Das Land ist dicht bevölkert, Ikea ist beliebt, und die Nachfrage nach günstigen Eigenheimen ist so stark wie nirgendwo sonst in Europa."

Was in Schweden mit dem Baukonzern Skanska begann, wird nun mit dem Fertighausspezialisten Bien-Zenker fortgesetzt. Das börsennotierte Unternehmen aus Hessen produziert rund 750 Häuser pro Jahr und ist alleiniger Franchise-Nehmer für ganz Deutschland. Startschuss ist in den beiden Bundesländern Bayern und Hessen. Rund 1000 Wohneinheiten möchte man in den ersten Jahren realisieren. "Die Leute rennen uns schon jetzt die Türen ein", sagt Philipp Mühlbauer, Vorstand der Bien-Zenker AG.

Schnörkellose Schwedenkiste

Wer sich nun Landhausstil und Blümchendekor à la Pärla und Gunilla erwartet, der wird enttäuscht sein. Die Reihen- und Mehrfamilienhäuser mit dem blau-gelben Etikett kommen nämlich schlicht und schnörkellos daher. Abgesehen von ein paar Dachüberständen und Balkonbrüstungen erinnern die Leichtbauten aus Holz an zusammengestückelte Container-baracken.

Während die Häuser in Skandinavien und Großbritannien an der Fassade einigermaßen lieblich mit farbigen Holzlatten versehen sind, werden die fünf in Deutschland angebotenen Wohnmodelle den Vorstellungen der lokalen Klientel angepasst. Und diese will eine Fassade, die ordentlich verputzt und anschließend strahlend weiß gestrichen ist. Magnusson: "Wir müssen sichergehen, dass unser Angebot in den Markt hineinpasst. Wir sind flexibel."

Spätestens jetzt beginnt sich in der Seele des architekturaffinen Kulturmenschen von Welt ein knotiges, leicht schmerzliches Geschwür zu bilden. Wenn das nicht der Anfang vom Ende ist! Doch die gebaute Hässlichkeit im Tetrapak hat zwei sagenhaft gute Argumente, die nicht vom Tisch zu fegen sind:

Erstens sind die Boklok-Häuser billig. Und zwar wirklich billig. Eine 3-Zimmer-Wohnung in der kleinen Basisversion beläuft sich auf 99.000 Euro, ein Reihenhaus kommt auf 179.000 Euro, die sogenannte Doppelhaushälfte schließlich gibt's ab 198.000 Euro zu kaufen. Grund und Boden sind im Kaufpreis bereits inkludiert. Der Kunde muss nur noch die Grunderwerbssteuer berappen.

Und zweitens - und das ist das eigentliche Alleinstellungsmerkmal - wird das Haus niemals ohne dazugehörige Besiedelung und Infrastruktur verkauft. "Man kann nicht einfach nur ein Boklok-Haus kaufen und es in Großmutters Garten stellen" , sagt Ewa Magnusson. "Boklok wird ausschließlich in Siedlungen gebaut, die von uns gestaltet sind und wo die Gebäude in einem gewissen dörflichen Zusammenhang stehen. Einerseits ist die Bebauungsdichte ein Tool, um die Produktionskosten zu senken, andererseits erachten wir diese Vorgabe als unseren Beitrag, um die Zersiedelung der Landschaft einzudämmen. Diese beiden Faktoren ergänzen einander sehr gut."

Grundstück mit Apfelbaum

Wer nach Boklok-Town zieht, der bekommt ein kleines Stück Land mit Sträuchern und Hecken rundherum. Typischerweise steht ein Apfelbaum im Garten. Darüber hinaus wird die Siedlung mit Parkbänken, Spielplätzen und öffentlicher Bepflanzung ausgestattet. Je nach Standort und Projektgröße werden die Kosten dafür entweder vom Franchise-Nehmer oder von der Gemeinde getragen.

"Der Einstieg von Boklok in den Holz-Fertighaus-Markt in Deutschland eröffnet unserer Branche völlig neue Chancen" , meint Dirk-Uwe Klaas, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Fertigbau (BDF). "Ein Konzept, das den Verkauf von Häusern inklusive Grundstück vorsieht, ebnet jungen Familien den Weg ins Eigenheim und belegt die Leistungsfähigkeit des Fertigbaus im verdichteten Bauen."

Eine Einführung in Österreich ist nicht geplant. Der Markt ist gesättigt. Pro Jahr werden rund 5000 Fertigteilhäuser in die Wiese gestellt, Tendenz stark steigend. Zum Vergleich: In Deutschland, das zehnmal so viele Einwohner wie Österreich hat, werden im Durchschnitt gerade einmal 7000 Stück verkauft.

"Das schwedische Modell Boklok ist ausschließlich im großvolumigen und verdichteten Bereich angesiedelt und richtet sich somit eindeutig gegen das freistehende Einfamilienhaus. Dieser Aspekt ist innovativ und daher äußerst begrüßenswert" , sagt Christian Murhammer, Geschäftsführer des Österreichischen Fertighausverbands (ÖFV). Auch hierzulande gebe es bereits Versuche, in Richtung Verdichtung und Großprojekt vorzupreschen. Allein, nicht alle Mitgliederbetriebe des Verbandes seien bereit mitzuziehen. Österreich und Einfamilienhaus? In diese bauwirtschaftlich erfolgreiche Symbiose pfuscht man nur ungern hinein.

Unterm Strich ist die clevere Wohnkiste aus Schweden ein ambivalentes Produkt mit Vor- und Nachteilen. Das fanden auch die Stadträte der hessischen Kleinstadt Hofheim. Noch vor offiziellem Verkaufsstart wurde der geplante Bau von knapp 20 Reihenhäusern aufgrund ästhetischer Bedenken prompt auf Eis gelegt. Das seien furchtbare Häuser, die an Kriegsbaracken mit Löchern in der Wand erinnerten, heißt es.

Pionier im Fertighaus-Segment

Ob man bei Ikea nicht die absolute Uniformierung der europäischen Wohnlandschaft befürchtet? Schließlich schauen auch die Innenräume seit der Einführung von basisdemokratischen Bücherregalen und romantischen Teelichtern im Hunderterpack - das sind die zwei meistverkauften Produkte im Sortiment - auf der ganzen Welt gleich aus.

"Das zentrale Thema bei Boklok ist die Schaffung von hochwertigem und dennoch für jedermann leistbarem Wohnraum innerhalb einer attraktiven Siedlungsstruktur", sagt Sabine Hold, Marketing-Sprecherin von Ikea Deutschland. Wenn man von Eintönigkeit spreche, dann dürfe man von dieser Kritik keinen einzigen Fertighaus-Anbieter ausschließen.

"Im Gegensatz zu allen anderen kümmern wir uns zumindest um Verdichtung und Sozialisation", betont Hold. Das ist tatsächlich eine Pionierleistung im Fertighaus-Segment. Auf diese Weise könnte es Ikea zum zweiten Mal gelingen, den Markt zu revolutionieren.

Boklok zu kaufen ist einfach: "Du gehst in das nächste Ikea-Einrichtungshaus, füllst das Anmeldeformular aus und nimmst am Losverfahren teil. So hast du die gleiche Chance auf ein günstiges Haus oder eine günstige Wohnung von Boklok wie jeder andere auch." (Wojciech Czaja / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.4./1.5./2.5.2010)