Der Hochofen der voestalpine bei Nacht.

Foto: VOEST

Autohersteller haben es vergleichsweise leicht: Die meisten Autos besitzen wenigstens irgendeine Art von Charme, und je älter sie sind, desto eher lernen wir den zu schätzen. Deshalb erscheint es wohl als eine leichte Aufgabe, die Geschichte eines Autoherstellers zu inszenieren. Und es gibt ja wunderbare Beispiele, angefangen bei der VW-Welt, auch BMW und Mercedes und einige mehr haben ihre Autowelten mittlerweile eröffnet. Eine starke Identität ist nun einmal wichtig für den Erfolg, und ein eigenes Museum kräftigt eine Marke alleweil.

Dass sich nun auch ein Stahlhersteller daran gewagt hat, den spröden Charme seiner Produkte in weichem Licht zu präsentieren, ist überraschend. Österreichs Stahlkonzern Voestalpine hat im Stammwerk Linz einen Kubus in die Wiese gestellt mit sechs Ebenen, auf denen die Welt des Stahls eindrucksvoll dargestellt wird, und folgerichtig heißt das Museum auch Stahlwelt.

Linz hat ja insgesamt wenig Geschichte vorzuweisen, wenig, worauf man stolz sein könnte, wie Salzburg auf seine Mozartkugeln oder Wien auf seine Kaffeehäuser oder Fiaker oder weiß der Kuckuck. Selbst den Anton Bruckner mussten sich die Linzer bei der Taufe des Brucknerhauses aus dem nahen Ansfelden ausleihen. Und die Voest als industrielles Rückgrat des österreichischen Wirtschaftswunders hieß in ihren Gründungstagen Hermann-Göring-Werke. Der Großraum Linz hat aber mittlerweile eine enorme Entwicklung hinter sich: von der stinkenden Stahlstadt hin zur wirtschaftlich dynamischsten Region Österreichs. Auch die Kultur hat ihren Stellenwert, inhaltlich sehr in die Zukunft gerichtet, Stichwort Ars Electronica.

Die Frage der Erzählungkunst
Doch zurück zum zentralen Thema, dem Stahl: Gegossen in mächtige Blöcke oder ausgewalzt zu Rollen verlässt er das Werk und ist als Endprodukt gewissermaßen nicht mehr wiederzuerkennen. Wie kann man das spannend erklären? Das Ganze ist zuerst einmal eine Welt voller Symbolik und Assoziationen, die uns die Wissensaufnahme leicht macht. So ist schon der Lift, mit dem man in das Restaurant ins oberste Stockwerk hinauffahren kann, in seiner schrägen Anordnung der Erzbeschickungsanlage eines Hochofens nachempfunden.

Im Inneren des mächtigen Kubus, der sechs Stockwerke umfasst, hängen 80 Kugeln mit einem Durchmesser bis zu zwei Meter, beleuchtet von 100.000 LEDs, die ein fulminantes Farbenspiel inszenieren. Dazwischen, sehr auf das Wesentliche reduziert, Stationen der Wissensvermittlung, immer mit dem didaktisch jeweils richtigen Instrument, oftmals auch interaktiv. Eine Stätte des fröhlichen Wissenszugewinns für fast jedes Alter und fast jeden Bildungsstand. Selbst der Wissende kann für sich da und dort noch eine Antwort finden, während der Interessierte richtig hineingezogen und mitgerissen wird.

Eine feine saubere Welt voller Glanz. Doch bis es so weit ist, sind einige schwere und schmutzige Anstrengungen nötig. Direkt vom Museum weg gibt es Werksführungen. Gleich dahinter dampft nämlich eines der modernsten Stahlwerke der Welt vor sich hin.

Hier wurde auch Anfang der 1950er-Jahre das LD-Verfahren zur Stahlerzeugung entwickelt. Denn aus Roheisen, das aus dem Hochofen kommt, muss erst Stahl gemacht werden, mit oft sehr unterschiedlichen Eigenschaften. Dies geschieht, indem mit einer Lanze von oben Sauerstoff eingeblasen wird, was vielfältige chemische Prozesse in Gang setzt, während, abgekürzt gesagt, Verunreinigungen verbrannt und Legierungswerkstoffe zugesetzt werden. (Rudolf Skarics/DER STANDARD/Automobil/30.4.2010)