Psychiater und Psychoanalytiker August Ruhs strebt ein logisches und konstruktivistisches Denken an. Deshalb bevorzugt er auch eine klare Formensprache.

(Foto: Lisi Specht)

Foto: Lisi Specht

Der Psychiater August Ruhs bewohnt einen Dachboden in der Wiener City. Ein wenig davon, was dies über seine Psyche aussagt, verriet er Michael Hausenblas.

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Ich wohne seit gut 20 Jahren in diesem großen, ausgebauten Dachboden inklusive Dachterrasse. Auch meine Ordination ist hier untergebracht. Die Wohnung, in der wir zu viert leben, liegt im ersten Bezirk. Das Stadtzentrum ist mir sehr wichtig, da ich ein urbaner Mensch bin. Für mich fängt am Gürtel schon Niederösterreich an. In dem Haus, das bis 1902 an dieser Stelle stand, wurde die bekannte Sozialphilosophin und Frauenrechtlerin Rosa Mayreder geboren. Ihr Vater soll hier die Gaststätte "Winterbierhaus" geführt haben. Außerdem hatten die Häuser hier einen engen Bezug zum ehemaligen Salzhandel im Bereich des heutigen Donaukanals.

Das Gebäude war mir immer schon angenehm aufgefallen, nicht zuletzt wegen seines Dachbodens. Es entsprach meinem Traum, unter einem Dach und gleichzeitig über anderen Dächern zu leben. Schließlich habe ich es geschafft, tatsächlich den größten Teil des Dachgeschoßes ausbauen zu können.

Das Haus ist ein Stiftungshaus, das heißt, ich bin hier immer noch Mieter, allerdings zu günstigen Bedingungen. Eigentlich bin ich sehr glücklich über diese Wohnsituation. Natürlich hätte ich auch gern ein Haus am Meer, aber von Wien aus ist das Meer zu weit entfernt, um dort einen zweiten Wohnsitz zu errichten.

Der Ausbau des Dachbodens erfolgte in mehreren Stufen. Als Erstes hab ich in der ehemaligen Waschküche dieses Hauses meine Ordination eingerichtet. Der Umbau der Wohnung hat dann in zwei weiteren Phasen stattgefunden, gemeinsam mit Architekt Günter Matschiner vom Atelier Spur Wien. Der Korridorcharakter der Wohnung war durch die vorgegebenen Baulichkeiten unvermeidbar. Aber das hat auch seine Reize.

Dem Ornament bin ich nicht sehr zugeneigt, ich mag eher klare Linien und Formen. Was die Einrichtung betrifft, habe ich früher sehr viel selbst angefertigt. Man findet hier nur wenig, das ich gekauft habe. Dadurch sind die Möbel auch stimmig, was die Proportionen zum Raum betrifft. Zum Selbermachen fehlt mir mittlerweile leider die Zeit. Bezüglich Materialien bevorzuge ich Stahl, Aluminium, Glas und zum Teil auch Kunststoff. Dem reinen Holz steh ich eher reserviert gegenüber. Für mich ist eine Wohnung ein eher diskreter Hintergrund für das bunte Treiben ihrer lebendigen Objekte.

Kunst ist mir wichtig, wobei ich mich nicht als Sammler bezeichnen würde. Bei den Werken, die man hier sieht, handelt es sich in erster Linie um Honorare bzw. Tauschobjekte für Buch- und Katalogbeiträge von Künstlern. Denn die Psychoanalyse ist für mich auch ein wichtiges Erkenntnisinstrument für den Bereich Kunst- und Kulturwissenschaft. Eine Wohnung ist im psychoanalytischen Sinn immer verbunden mit unbewussten Assoziationen und Fantasien über die Urhöhle, die erste Behausung des Menschen im Mutterleib. So gesehen ist eine Wohnung so wie auch unsere ganze Umwelt immer eine Art erweiterter Körper.

Wie unsere Patienten wohnen, ist für uns Psychoanalytiker relativ belanglos, weil wir uns vor allem dafür interessieren, was Wohnen für sie bedeutet und welche unbewussten Fantasien ihre Wohnungen gestalten. Das steht oft in Einklang, oft aber auch in Widerspruch zu den anderen Lebensgewohnheiten.

Was diese Wohnung über meine Psyche aussagt? Ich bin einem klaren Denken sehr zugeneigt, strebe ein logisches und konstruktivistisches, weniger ein impressionistisches Denken an. Dies scheint sich auch in der Vorliebe für eine klare Formensprache in der von mir gestalteten Umgebung widerzuspiegeln. Was für mich eher neu ist, ist meine Freude an etwas Grün im Wohnbereich. Ich habe zwar keinen grünen Daumen, aber ich habe es immerhin geschafft, dass meine Bananenstaude schon zweimal Früchte getragen hat. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9.5.2010)