Alle paar Wochen fährt der glu quer durch die Stadt zur Kristina, die bei Kawasaki Österreich die Pressemotorräder über hat, und macht ihr schöne Augen. Da könnte man nun meinen, dass mich das ein wenig störe – aber dem ist nicht so, keineswegs. Denn immer, wenn der glu von der Kawasaki-Kristina nach Hause kommt, bringt er was mit. Zumeist ist das etwas Grünes, das ich dann – nein, küssen und den Motor zum Leben erwecken durfte ich noch nie – bis jetzt. Denn: Als er letzte Woche wieder mal bei der Kristina war, hat sie ihm schmunzelnd den Schlüssel der neuen ER-6n in die Hand gedrückt und gemeint: "Ich bin gespannt, was du zu der Kawasaki sagst, die einen so hohen Frauenanteil bei den Käufern hat."

Foto: Guido Gluschitsch

Weil aber der glu jetzt genauso viel mit einer Dame zu tun hat wie italienischer Tankstellenespresso mit jenem beim vermeintlichen Nobelitaliener in der City, gab‘s diesmal kein "Lass-die-Finger-von-dem-Eisen"-Gsatzerl; das er mir sonst ja schon entgegen murmelt, wenn ich auch nur einen Blick riskiere. Diesmal war es ein: "Schau, Reißerische, Frauenradl, fahr!" Und genau wegen dieses "Schau, Frauenradl. Fahr und sag, wie‘s dir taugt." müssen Sie jetzt fünf Minuten Ihres Lebens mit mir verbringen. Seien Sie also bitte tapfer, halten Sie durch.

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Die ER-6n wird also sehr gerne von Frauen gekauft, hat die Kristina gemeint. Normalerweise liegt der Frauenanteil bei den Motorrad-Neuzulassungen bei 12 Prozent – bei der ER-6 sind es 26 Prozent. Nur die 250er Ninja mit 32 Prozent hat einen höheren Frauenanteil.

Sehr klass, darf ich endlich einmal ein Pressemotorrad fahren, und dann ist es ein "Frauenradl". Ich weiß ja auch nicht, das Wort allein weckt bei mir schon dasselbe Entzücken wie ein Shoppingtrip zum Supermarkt. Aber gut, schau ma mal, dann seh ma schon, sag ich immer. Und ich hab g‘schaut. Wie sogar.

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Die Kawa ist nämlich nur auf den ersten Blick ein Mädchen-Moped; wegen der niedrigen Sitzhöhe von 785 Millimeter. Die Designer haben dabei bestimmt an die vielen Mädels gedacht, die es bei Germanys next Top-Model schon allein wegen ihrer geringen Körpergröße nicht in die zweite Runde schaffen. Deppert nur, dass agratt ich mit meinen über 175 Zentimeter Körpergröße jetzt nicht zu der Gruppe gehöre und mir überlegen muss, wie ich meine Stelzen zwischen Tank und Fußraste einhakel, sodass ich den Schalthebel noch bedienen kann.

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Auf den zweiten Blick ist die ER-6n gar kein ausgesprochenes Gazellen-Moped. Ein Hubraum von 649 Kubikzentimeter, 72,1 PS bei 8.500 Umdrehungen und ein Drehmoment von 66 Newtonmeter bei 7.000 Umdrehungen pro Minute lassen manchen ach so angeschmachteten Supersportler im Augenwinkel verschwinden. Ich fahr mit der ER-6 auch durch die Stadt. Zum Schauen, wie es um das Handling der kleinen Kawa steht – das sei ja, laut Kristina, auch ein Grund, weswegen die ER-6n bei Frauen so gut ankomme – und wie viel Spaß man mit ihr auch STVO-konform haben kann, ist das nämlich genau das Richtige.

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Der Nachmittagsverkehr bringt die Kawasaki nicht in Verlegenheit. Die wendigen, 204 fahrfertigen Kilos schreckt nichts. Der Wendekreis passt auch. Und die Bremsen – obwohl sie auf der komfortablen und nicht auf der sportlichen Seite zuhause sind – verzeihen jedem Autofahrer dessen jugendlichen Leichtsinn, der ihn glauben lässt, er könnte noch schnell vor mir aus einer Parklücke rollen.

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Ich schreibe bewusst Autofahrer, denn bei mir sind es vor allem Männer, die meinen, sie müssten zeigen, dass sie am längeren Hebel sitzen. Dabei sollten doch gerade die eher wissen, wie es um die Kräfteverhältnisse zwischen Masse und PS steht. Nun ja, man trifft sich eh an der Ampel.

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Und derer gibt es viele in Wien. Darum bleibt es auch mir nicht erspart, neben einem Auto in Pole-Position stehenzubleiben und mir anzuhören, welch cooles Motorrad ich zwar hätte, aber ob es nicht doch ein bissl zu wild für mich wäre. Grad, dass der Typ nicht gesagt hat, ich solle absteigen, weil ich bestimmt eh nicht fahren könnte.

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In solchen Fällen hilft es, am Sitz ein Stückchen nach hinten zu rutschen und sobald die Ampel auf Grün gesprungen ist, den Motor aus seinem Stadt-Dornröschen-Schlaf zu wecken und gleichzeitig die Kupplung – die sowieso ein etwas streng geht – ein bissl zu ärgern. Das Drehmoment der Kawa hebt das Vorderrad in den ersten Stock, und das Ego des Goscherten sinkt im Nu auf das Niveau, auf dem ich die Kawa nach einer längeren Ausfahrt mit anerkennendem Nicken in der Tiefgarage abstelle

Foto: Guido Gluschitsch

Ein Frauenmotorrad – was immer das jetzt wirklich heißen soll – ist die 7.199 Euro teure ER-6n nicht – mit ABS kostet sie 7.799 Euro. Sie ist kräftig, wendig und hat eine Sitzhöhe, die es auch Menschen mit einer Körpergröße unter 165 Zentimeter erlaubt, Kawasaki zu fahren.

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