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Eisenstadt - Selbst dem spitzenpolitischsten Spitzenpolitker kann es zuweilen passieren, dass ihm die Mimik entgleitet, die Gestik sich ins Allzumenschliche lockert und der Tonfall sich alldem angleicht. Selbst Wolfgang Schüssel, dem so etwas fast nie passiert ist, musste deshalb weiland zum Chef der deutschen Bundesbank zum Männergespräch.

Dem Hans Niessl ist das, jedenfalls soweit dem Standard erinnerlich, nie passiert. Er hat sich im Griff, er ist jede Minute sozusagen im Dienst. Und falls er sich aus diesem bisweilen entlässt, so verfügt er doch über die bemerkenswerte Fähigkeit, sich jederzeit wieder in Dienst zu stellen. Mag sein, das liegt an seinem erlernten Lehrerberuf. Denn wehe dem Pädagogen, der sich auch nur einen Moment gehen lässt unter den Augen der Klasse.

In den vergangenen Monaten hat die erstaunliche Selbstbeherrschung des Hans Niessl aber Schrammen erlitten. Die vehemente Kritik des Schriftstellers Peter Wagner im ORF und auf derStandard.at - wie ein "geölter Affe" sei Niessl aus populistischen Gründen aufs Thema Eberau gehüpft - hat Spuren hinterlassen. "Was ist das für ein Linker" , lenkt er mehr ab, als dass er entgegnet, "der mich so charakterisiert, aber zur Frau Rosenkranz kein Wort verliert?"

Niessl selbst bezeichnet sich selbst als bekennenden Pragmatiker. So auch in dem unlängst erschienenen 270 Seiten starken Interview-Buch Hans Niessl - der Aufstieg geht weiter. Das zweite, ebenfalls unlängst erschienene Buch Die Burgenbürger hat er nur "quergelesen" . Denn da lässt dieser Peter Wagner Niessl als "Pinz Joe" durch die pannonische Geschichte irrlichtern.

Der Vorwurf, ein populistischer Rechtsausleger zu sein, trifft Hans Niessl sichtlich. Denn bei allem wahltaktischen Pragmatismus ist er dennoch ein, wie man sagt: g'standener, Sozialdemokrat. Über den Hinweis des Standard, sein Vorwurf an Fekter - Eberau sei "der größte Anschlag eines Innenministers auf das Burgenland, seit es existiert" - übersehe den Anschluss-Exekutor Seyß-Inquart, ist er richtiggehend erschrocken und stand nicht an, seine Aussage zu korrigieren. Und wenn ihn nun jemand anspricht auf seine Wortschöpfung "Sicherfühlland" , dann redet er gerne über Feuerwehr und Rettung. Und erst dann über den Assistenzeinsatz, die von ihm initiierte "Nachbarschaftshilfe Sicherheit" und die Forderung nach 500 Polizisten mehr.

Mag sein, Hans Niessl merkt - unter der Bedeckung der eigenen Dienstverpflichtung - dass er sich allmählich einer Grenze des politischen Pragmatismus nähert. Und dass es jenseits davon anfangen könnte, gefährlich zu werden. Jedenfalls für einen g'standenen Sozialdemokraten. Und ein solcher möchte er ja am Ende der Dienstzeit immer noch sein. (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD-Printausgabe, 20.5.2010)