Meg Stuart 1997

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Wien - Am Ende, wenn alle Darsteller ermattet in käsig gelbes Licht getaucht auf der Bühne liegen, sagt eine: "It's the end of the world as we know it." Sie wiederholt diesen Satz, und dann fügt sie an: "And I feel fine." Nach diesem R. E. M.-Zitat ist Meg Stuarts Kammerstück Do Animals Cry vorbei. Wie erleichternd.

Vor zehn Jahren war die aus den USA stammende, heute in Berlin arbeitende Choreografin das letzte Mal bei den Wiener Festwochen zu Gast - mit dem großen, wilden Projekt Highway 101. Bald darauf ging sie zu Christoph Marthaler ans Zürcher Schauspielhaus. Dort entstanden so bedeutende Stücke wie Alibi und Visitors Only. Seit Stuart an der Berliner Volksbühne bei Frank Castorf arbeitet, herrscht in ihrem Werk zunehmend ein resignativer, sentimentaler Grundton. Die Künstlerin hat am Beginn ihrer Karriere vor 20 Jahren mit einer ganz neuen, rebellischen Tanzauffassung den verkitschten Bewegungshedonismus der Eighties fast im Alleingang zu Grabe getragen.

Nun stellt sie in eher konventionellem Format das Gift dar, das unsere Gesellschaft unaufhaltsam verätzt. Deren Betulichkeit, ihren künstlichen Stress, ihre verlogene Romantik. Und das alles im Ambiente einer verschwitzten Pseudointimität. In Do Animals Cry wütet zwei Stunden lang der Virus des Existenziellen.

Stuart zeigt den Bankrott der Familie. Nicht illustrativ oder literarisch angelegt, sondern als Orgie der Neurosen und einer allgemeinen Depression, die sich in einer Verkettung pointenloser Gags äußert. Fünf unerlöste Figuren zwängen sich durch die Enge ihres Daseins. Eine Hundehütte ist die einzig sichtbare Behausung vor einem überdimensionalen Tunnel aus Holzstöcken, der die Bühne nach hinten begrenzt. Aus dem aufgebrochenen Haus bei Visitors Only und dem Zelt bei Forgeries, Love and Other Matters ist diese Hütte geworden, die wie ein Mausoleum dasteht. Irgendwann wird dazu passend ein ausgestopfter Hund herbeigetragen, der einem lustlos geworfenen Stöckchen nicht nachläuft.

Wie schon einmal in Blessed exerziert Stuart auch hier ein Armageddon der Hoffnungen. Diese Apokalypsen-Affirmation hat durchaus ihre witzigen Seiten, und dass die Hundehütte das zynische Gegenstück zu dem berühmten Fass von Diogenes symbolisiert, kann man sich zusammenreimen. In dem kynischen Gleichnis von Meg Stuart - "kyon" heißt im Griechischen "Hund", und die Kyniker waren Philosophen, die radikale Bedürfnislosigkeit hochhielten - fehlt dieser Diogenes. Das war's. (Helmut Ploebst/ DER STANDARD, Printausgabe, 21.5.2010)