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Finanzminister Wolfgang Schäuble

Foto: Ap/Schreiber

Der beispiellose Euro-Schutzschirm von insgesamt 750 Milliarden Euro hat am Freitag in Deutschland die parlamentarischen Hürden genommen. Nach dem Bundestag machte auch der Bundesrat den Weg frei für ein schnelles Inkrafttreten des Rettungsschirmes, an dem Deutschland mit maximal 148 Milliarden Euro beteiligt ist. "Wir setzen auf ein handlungsfähiges starkes Europa", betonte Finanzminister Wolfgang Schäuble im Bundestag. "Wir setzen auf die Stabilität unserer gemeinsamen Währung." Am Abend unterzeichnete auch Bundespräsident Horst Köhler das Gesetz, das damit verkündet werden und in Kraft treten kann.

Stabilisierungsmechanismus

Der Euro-Rettungsschirm ist die größte Hilfsaktion in der Geschichte des Währungsraumes. Er soll angewendet werden, falls nach Griechenland eine weiteres Mitglied der Eurozone in Schieflage gerät. Der "Europäische Stabilisierungsmechanismus" umfasst Kredite und Kreditgarantien von 500 Milliarden Euro. Der Internationale Währungsfonds (IWF) stellt zudem Kreditlinien von rund 250 Milliarden Euro. Die EZB flankiert das Hilfspaket mit dem Ankauf von Staatsanleihen.

Im Bundestag stimmten allerdings allein 319 Abgeordnete der Koalitionsparteien dem deutschen Teil des Hilfepakets zu. Darin wird die Bundesregierung ermächtigt, Kreditgarantien von maximal 148 Milliarden Euro für von der Zahlungsunfähigkeit bedrohte Länder des Währungsraums zu vergeben. 73 Abgeordnete, vornehmlich Parlamentarier der Linken sowie einige wenige der Koalition, votierten gegen das Vorhaben. 195 Parlamentarier, durchwegs aus den Reihen von SPD und Grünen, enthielten sich der Stimme. Anschließend ließ der Bundesrat den Gesetzentwurf passieren. Die Länder verzichteten auf eine Anrufung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und -rat.

Schäuble verteidigt schnellen Entscheidungsprozess

Schäuble verteidigte die von der Opposition bemängelte Eile im Gesetzgebungsverfahren. Gerade das Verhalten Deutschlands als größte Wirtschaftsmacht in Europa werde von den Märkten besonders beobachtet. Erst wenn ein Vorhaben beschlossen sei, vertrauten die Märkte darauf. Das Hilfspaket sei alternativlos. Kritik, die Regierung habe die Opposition nicht ausreichend informiert, wies Schäuble zurück. "In der Sache ist klar, was entschieden wird", hielt er der Opposition vor. Außenminister Guido Westerwelle fragte die Oppositionsparteien: "Finden Sie, dass Europa stehen soll oder dass es fallen soll?"

Wie schon bei dem 110-Milliarden-Hilfspaket für Griechenland vor genau zwei Wochen bekundeten SPD und Grüne Unterstützung für den Euro-Schutzschirm. "Wir sind nicht gegen das Rettungspaket", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Da aber die Regierungspolitik im Kampf gegen Spekulanten und Finanzmarktregulierung in die falsche Richtung gehe, könne seine Fraktion nicht zustimmen. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf Kanzlerin Angela Merkel Wortbruch vor. Sie habe zugesagt, die notwendigen europäischen Verträge vor der Entscheidung vorzulegen, es aber nicht getan. Trittins Parteikollege Fritz Kuhn unterstrich, die Enthaltung der Grünen sei keine "Drückeberger-Enthaltung". Vielmehr sei das Parlament "schäbig" behandelt worden.

Wie alle anderen Parteivertreter sprach auch Linken-Fraktionschef Gregor Gysi von einer Schicksalsfrage, über die entschieden werde. Die Regierung tue aber nichts, dass nicht weiter die Banken und Spekulanten die Geschicke bestimmten. Daher lehne seine Partei das Gesetz ab.

"Schlingerkurs" bei Transaktionssteuer

Schäuble und Westerwelle unterstrichen, es gehe in ganz ureigenem deutschen Interesse nicht nur um das Rettungspaket, sondern flankierend auch um wirksame und schärfere Regeln am Finanzmarkt. Schäuble sagte zu, Deutschland werde sich international in der G20 für eine Finanztransaktionssteuer einsetzen. Wenn es dafür global keine Chance gebe, werde die Regierung für dieses Vorhaben auf europäischer Ebene werben und das notfalls auch dann, wenn Europas größter Finanzplatz Großbritannien nicht mitziehen wolle.

Gabriel warf Merkel und Schäuble vor, mit ihren Schwenks in dieser Frage Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit zu schüren. Wenn Merkel und Schäuble nun für dieses Instrument seien, stelle sich die Frage: "Warum beschließen wir das nicht heute hier im Parlament?" An Merkel gewandt kritisierte er: "Sie haben keine Linie, sie haben kein Ziel." In Europa habe die Bundesregierung sich mit ihrem Taktieren jegliches Vertrauen verspielt.

Auch die Hälfte der Deutschen stellt einer Umfrage zufolge der Bundesregierung und Merkel selbst ein schlechtes Zeugnis bei der Krisenbewältigung aus. Von einer guten Arbeit sprachen in einem am Freitag veröffentlichten ZDF-Politbarometer nur 39 Prozent. 54 Prozent stimmten der Aussage zu, dass Merkel in der Regierung zu wenig den Kurs bei der Bekämpfung der Krise vorgebe, die 59 Prozent als eine große oder sehr große Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland empfinden.

Griechenland meldet Fortschritte

Unterdessen meldet Griechenland Fortschritte im Kampf gegen das Haushaltsdefizit. Die selbstgesetzten Ziele seien in dieem Jahr übertroffen worden, so das Finanzministerium. Das Defizit habe im Zeitraum von Jänner bis April 6,31 Mrd. Euro betragen, nach 10,79 Mrd. Euro 2009. Damit sei eine Reduzierung des Defizits um 41,5 Prozent gelungen. Das Ziel der Regierung war ein Abbau um 35,1 Prozent. Dass Griechenland sich an die eigenen Haushaltsziele hält und ein umfassendes Sparprogramm durchsetzt, gehört zu den Bedingungen für das Hilfspaket der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds (IWF). (Reuters/APA)