Wien - Wie der freie Markt sucht auch der Interpretationsmarkt des klassischen Musikbetriebes sein Heil gern in der Steigerung: noch schneller, noch tragischer, noch pointierter! Und bitte auch noch ernster, noch virtuoser und natürlich noch etwas intensiver! Es geht allerdings auch anders.

Der Pianist Radu Lupu nämlich entschleunigt und tritt durchaus auf die Drastik-Bremse. Er erzählt einfach. Und wie jeder gute Erzähler vertraut er nicht dem Theaterdonner seiner rhetorischen Tastenmittel, sondern der Kraft der erzählten Geschichte.

Schon bei Leos Janáèeks vier Klavierstücken Im Nebel hatte der gebürtige Rumäne, der seit knapp vier Jahrzehnten in den bedeutendsten Konzertsälen der Welt zu Hause ist, durch die Einfachheit und Selbstverständlichkeit seines Musizierens eingenommen, um dann bei der verblüffend bedächtigen Interpretation von Ludwig van Beethovens Appassionata-Sonate seine drei künstlerischen Kardinaltugenden ganz deutlich zu machen: Es sind dies Zurückgenommenheit, Behutsamkeit und auch die Redlichkeit.

Bekannter Roman

Bei Franz Schuberts großer B-Dur-Klaviersonate schließlich wirkte Radu Lupus Spiel, als hörte man der Lesung eines traurig-schönen Romans zu, dessen Absätze und Kapitel man zwar eigentlich schon auswendig kannte, den man aber noch nie so uneitel und berührend vorgetragen bekommen hatte.

Kurzum: Es war dies ein schlichtweg wundervoller, balsamischer Konzertabend, der zwei Stunden entspannendes, beglückendes Musikhören im Goldenen Musikvereinssaal garantierte. Ein herzlicher Dank sei einmal dafür abgestattet. (Stefan Ender, DER STANDARD/Printausgabe 25.5.2010)