Bewohnerbefragungen in neuen Passivhaus-Anlagen ergeben immer das Gleiche: Die große Mehrheit ist nicht wegen der umweltschonenden Technologie eingezogen, und unter denen, für die Energiesparen keine Priorität hat, ist die Zufriedenheit mit den ungewohnten Wohnbedingungen enttäuschend niedrig.

Für den Psychologen Alexander Keul von der Universität Salzburg, der eine solche Befragung durchgeführt hat, ergibt sich aus diesem Ergebnis vor allem eine Schlussfolgerung: Ebenso wichtig wie die moderne Technologie ist es, den Menschen diese ausführlich und geduldig zu erklären.

"Akzeptanz braucht Zeit"

"Technologische Innovationen verbreiten sich nicht von selbst", sagt er. "Sie brauchen Akzeptanz, und das braucht seine Zeit." Und: "Niedrigenergie braucht Technikvermittlung. Je mehr die Menschen wissen, desto zufriedener sind sie." Aber weder komplizierte Beschreibungen noch "blühende Prospektlandschaften", deren Versprechen nicht erfüllt werden, würden hier viel nützen, und vor allem im ersten Jahr nach dem Bezug sei die Kommunikation besonders wichtig.

Nützlich seien auch einfache Erklärungen auf Kinderniveau, wie etwa ein Geolino-Baukasten oder ein Download von der Sendung mit der Maus, berichtet Keil und rät zum "Mut zur Infantilität".

Michael Pech, Vorstand des Österreichischen Siedlungswerks (ÖSW), hat in seinen Umfragen ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Raumtemperatur sei gerade bei älteren Menschen, die im Winter überheizte Räume gewohnt sind, ein Problem, "subjektives Empfinden und objektive Fakten klaffen da auseinander, aber man kann nicht das Tragen von Wollpullovern verordnen", sagt Pech. Während die Referenztemperatur in einem Passivhaus 20 Grad Celsius beträgt, würden sich viele Bewohner erst bei 22 bis 23 Grad wohlfühlen, bestätigt Buwog-Chef Gerhard Schuster.

Für ihn ist es "eine extreme Herausforderung, den Leuten nahezubringen, was so ein Haus kann und nicht kann". Vierstufige Belüftungseinrichtungen seien ohne genaue Beratung schwer zu durchschauen, "und es hat zwei Jahre gedauert, den Leuten zu erklären, wie man Passivhäuser genießen kann".

Überzogene Erwartungen

Problematisch sind auch die überzogenen Erwartungen an die Einsparungen, betonen Pech und Schuster. So sind in der Fernwärmerechnung auch Fixkosten und die Kosten des Warmwassers enthalten und würden daher auch im Passivhaus nicht gegen null tendieren. Man dürfe auch die Zusatzkosten einer Passivhausanlage, wie die Stromkosten für die Lüftungsanlagen oder das Service der Filter, nicht verschweigen, warnt Pech. Schuster: "Ich brauche als Hausverwalter einige Überzeugungskraft und Reputation, um bei den Leuten wieder ungeschoren aus der Anlage herauszukommen."

Aber in Zukunft sollte die Vermittlung der Vorteile eines Passivhauses leichter werden, glaubt Pech: "Die Einsparungen werden größer, weil die Energiekosten steigen werden." (ef, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.5.2010)