Münster - Hochgerechnet auf rund viereinhalb Milliarden Jahre mag es nicht viel sein, aber immerhin: Die Erde ist deutschen Forschern zufolge zwischen 20 und 90 Millionen Jahre jünger als bisher angenommen. Das geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Studie von Wissenschaftern der Universitäten Münster und Cambridge sowie der ETH Zürich hervor. Waren Wissenschafter bisher von einem Alter von 4,53 Milliarden Jahren ausgegangen, so sind es nach den neuen Forschungsergebnissen zwischen 4,51 und 4,44 Milliarden Jahre.

"Besonders wichtig ist, dass dieses Alter mit dem Alter des Mondes übereinstimmt", betonte Thorsten Kleine vom Institut für Planetologie der Universität Münster. Denn da klaffte bislang eine unerklärliche Diskrepanz in der Altersbestimmung - vorausgesetzt die anerkannteste Theorie zur Entstehung von Erde und Mond stimmt. Derzufolge kollidierte die Proto-Erde einst mit einem etwa marsgroßen Planeten, der den Namen "Theia" erhielt. Der größere Rest der vereinigen Masse formte sich zur Erde in ihrer heutigen Form, aus dem kleineren Rest bildete sich der Mond. Beide müssten daher auch gleich alt sein.

Vergessener Faktor

"Die bisherigen Altersbestimmungen für die Erde haben nicht berücksichtigt, dass der Erdmantel eine Signatur jener Körper enthält, aus denen die Erde entstanden ist. Wenn wir die Altersbestimmungen dafür korrigieren, stimmen die Alter von Erde und Mond überein", erläutert Kleine. Die planetaren Kollisionen, die die Entstehung der Erde begleiteten, setzten gewaltige Mengen an Energie frei und führten zu einer weitgehenden Aufschmelzung der Erde. In diesem geschmolzenen Zustand erfolgte die Bildung des Erdkerns, bedingt durch eine gewaltige Umverteilung der chemischen Elemente in der Erde. Alle diejenigen Elemente, die sich gerne an Metalle binden, wanderten in den Kern, die übrigen blieben im umgebenen Mantel. Aus dieser Umverteilung der Elemente können die Forscher rekonstruieren, wie genau die Kernbildung stattgefunden hat. Sie können auch den Zeitpunkt bestimmen, an dem die Kernbildung stattgefunden hat - und dieser Zeitpunkt ist gleichzeitig das Alter des Planeten.

Für die Bestimmung des Erdkernalters untersuchen die Forscher das Element Wolfram. Ein Teil des Wolframs, das Isotop Wolfram-182, ist durch radioaktiven Zerfall aus Hafnium-182 entstanden. Dieser Zerfallsprozess ist zeitabhängig und kann daher zur Datierung verwendet werden. Bei der Kernbildung wanderte nahezu das gesamte Wolfram der Erde in den Erdkern, während Hafnium vollständig im Erdmantel verblieb. Seit der Kernbildung entsteht durch den Zerfall von Hafnium-182 neues Wolfram-182 im Erdmantel. Dabei hängt die Menge neu produzierten Wolframs-182 vom Zeitpunkt der Kernbildung ab: Je früher die Kernbildung, desto mehr Wolfram-182 findet sich im Erdmantel.

Kein Gleichgewicht

Die Menge neu produzierten Wolframs-182 im Erdmantel ist den Forschern schon seit längerer Zeit bekannt. Für die Bestimmung des Kernalters müssen sie jedoch auch wissen, ob Erdmantel und Erdkern einst im chemischen Gleichgewicht standen. Bisher ist man genau davon ausgegangen. Die neuen Arbeiten zeigen jetzt jedoch, dass sich dieses Gleichgewicht wahrscheinlich nie eingestellt hat. Wahrscheinlich sind die metallischen Kerne der Körper, die mit der Erde kollidierten, sehr schnell mit dem Erdkern verschmolzen. "Es blieb nicht ausreichend Zeit für eine Gleichgewichtseinstellung", erläutert Thorsten Kleine. Daher ist ein Teil des im Erdmantel nachgewiesenen Wolfram-182 gar nicht durch die Kernbildung in der Erde entstanden, sondern ein Relikt aus der Entstehungsgeschichte der planetaren Körper, die mit der Erde kollidierten. "Wir müssen unsere Altersbestimmungen entsprechend korrigieren", fasst Kleine die Erkenntnisse zusammen. (APA/apn/red)