Werbung für Sexarbeit ist in Vorarlberg genauso verboten wie deren Ausübung. Die illegale Wohnungsprostitution boomt.

Foto: Heribert Corn

Bregenz - Prostitution ist in Vorarlberg illegal. Mit ihrem Theaterstück Liebesdienste, basierend auf Recherchen in der Szene, machten die Journalistin Annette Raschner und die Regisseurin Brigitta Soraperra vorigen Sommer auf ein Tabuthema aufmerksam: die Sexarbeit und ihre Auswirkungen auf die Dienstleisterinnen.

Am Dienstagabend luden die Theatermacherinnen mit der Grünen Bildungswerkstatt zur aktuellen Bestandsaufnahme ins Freudenhaus, ein mobiles Kulturprojekt von Willi Pramstaller. Fazit: Geändert hat sich nichts, Sexarbeit wird als politisches Thema hartnäckig ignoriert.

Das Kultur-Freudenhaus ist das einzige Haus in Vorarlberg, das diesen Namen trägt. Denn kein Gemeindevorstand wagt es, ein Bordell zu genehmigen. Die Regelung der Prostitution ist in Österreich Ländersache, der Vollzug Gemeindeangelegenheit. Das Vorarlberger Sittenpolizeigesetz würde Bordelle zulassen, die vollziehenden Gemeinden aber nicht.

Weniger rigide ist man bei der Bewilligung von Animierlokalen. Die Zahl der Table-Dance-Bars habe sich auf 23 verdoppelt, wusste Stefan Schlosser, stellvertretender Leiter des Landeskriminalamts, zu berichten. Die Bars würden regelmäßig kontrolliert, in zwei Fällen habe man bislang Prostitution und Menschenhandel nachweisen können. Eine Anzeige kam von betroffenen Frauen selbst. Die Rumäninnen wurden als Erntehelferinnen nach Vorarlberg geholt und hier zur Prostitution gezwungen. Geschlossen wurde die Lokale nicht, musste Schlosser auf Nachfrage aus dem Publikum einräumen.

Sexarbeit finde vor allem in Wohnungen statt, man überwache die Szene. "Da müsst ihr aber viele Augen zudrücken", feixte die Sexualberaterin Barbara Balldini. Aus "polizeilicher Sicht" sei der Zustand nicht der schlechteste. Legalisierung würde mehr Begleitkriminalität verursachen, sagte Schlosser.

Übergriffe nicht angezeigt

Durch die Illegalität wären Sexarbeiterinnen Druck und Zwang ausgesetzt, aus Angst vor Strafen und gesellschaftlicher Stigmatisierung würden sie Gewaltübergriffe nicht anzeigen, konterten die Frauen auf dem Podium.

Offener als in Vorarlberg geht man im nahen Schweizer Kanton St. Gallen mit dem Thema Sexarbeit um. In 75 Lokalen werden sexuelle Dienstleistungen angeboten, die Beratung und Betreuung der Sexarbeiterinnen durch Sozialarbeiterinnen wird vom Kanton finanziert, berichtete Sozialarbeiterin Cornelia Gresser.

Menschenhandel und Ausbeutung ausländischer Frauen sei dennoch ein Problem. Die finanzielle Not der Frauen aus dem Osten würde für ungeschützten Sex ausgenutzt. Gresser: "Kunden bieten für Sex ohne Kondome das Doppelte oder Dreifache." Umso wichtiger seien die Beratungsstellen. Gresser: "Wir sind für die meisten ausländischen Sexarbeiterinnen die einzigen Frauen, die sie außerhalb der Szene kennen."

Aber auch die beste Beratung könne gesellschaftliche Akzeptanz nicht ersetzen. Aus Angst verheimlichten die meisten Frauen ihre Tätigkeit vor Freunden und Familien. Legalisierung wie in der Schweiz ist in Vorarlberg nicht zu erwarten. Vorstöße der Grünen blieben bisher ohne politische Konsequenzen. (Jutta Berger/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.5. 2010)