Szene aus "Permanent Vacation" von Jim Jarmusch (1980)

Foto: Filmmuseum

Wien - Die erste Punkwelle war fast so kurz wie ihre besten Songs. 1976 debütierten die Ramones, 1977 die Sex Pistols; mit deren Auflösung 1978 war der Spuk eigentlich vorbei.

Was danach kam, sollte sich jedoch als interessanter erweisen: Punk löste sich vom Drei-Akkorde-Dogma und suchte sich Inspirationen bei Afroamerikanern und Schwulen, Frauen griffen zu Gitarren - und nicht zuletzt verwischten die Grenzen zwischen Musik, Kunst und Filmszene. Postpunk hat sich als Bezeichnung für diese Phase zwischen 1978 und 1984 durchgesetzt. Am radikalsten vermischten sich die Welten vielleicht in der New Yorker No-Wave-Szene. "Niemand tat das, was er konnte. Maler waren in Bands; Musiker machten Kunst oder Film" , hat John Lurie den Geist der Zeit zusammengefasst.

Zehn Tage lang widmet sich das Österreichische Filmmuseum im Juni der wenig bekannten filmischen Seite einer Subkultur, deren Musik in den letzten Jahren ein breites Revival erfahren hat. Gezeigt werden vier Programme mit Kurzfilmen, ein halbes Dutzend Langfilme, und Kurator Christian Höller wird in einem Vortrag die Szene beleuchten.

Cooler Nihilismus

Die Darsteller lesen ihre Texte ab, der Kameramann hält die Schärfe nicht, der Ton ist miserabel - die meisten der gezeigten Werke unterlaufen alle handwerklichen Mindeststandards, und doch stehen sie nicht ohne Vorbilder in der Filmgeschichte da. Filme wie King Blank von Michael Oblowitz oder Vortex von Beth B. und Scott B. zeigen eine ähnliche Faszination für den coolen Nihilismus des Film noir. In Kidnapped von Eric Mitchell und Rome 78 von James Nares lebt der Geist der frühen Warhol-Filme mit ihrem gnadenlos neutralen Blick auf geniale Dilettanten und dekadente Selbstdarsteller auf. Und ähnlich wie Warhols Werke erweisen sich die No-Wave-Filme oftmals als überraschend humorvoll.

Auffallend ist auch, dass die radikalsten Werke von Regisseurinnen gedreht wurden, die zumindest bei den Kurzfilmen mit ebenso vielen Filmen vertreten sind wie Männer. Auch vor der Kamera spielen Frauen oft die Hauptrolle. No-Wave-Superstars (im Sinne Warhols) wie Debbie Harry, Patti Astor oder Lydia Lunch vertraten eine Sexualität, die ebenso im Widerspruch stand zu traditionellen Frauenbildern wie zum Feminismus der frühen 1970er-Jahre.

Die 19-jährige Lydia Lunch, Sängerin der No Waver Teenage Jesus and the Jerks, spielt die Hauptrolle in Vivienne Dicks Guerillere Talks. Auf einem New Yorker Trümmergrundstück gibt sie ebenso gelangweilt wie kokett der Gesellschaft die Schuld an der Gewalt und der Zerstörungswut der Jugend. Sie hätte gern eine Schaukel, stattdessen umklammert sie eine rostige Feuerleiter.

Die Ironie der Geschichte: Das trostlose Bild, das New York mit seinen verfallenen Wohnungen und leerstehenden Häusern in Guerillere Talks und anderen No-Wave-Filmen bietet, wird mittlerweile nostalgisch verklärt von allen Kreativen, die sich die Mieten der Stadt nicht mehr leisten können und sich nach den alten Freiräumen sehnen. (Sven von Reden, DER STANDARD/Printausgabe, 05./06.06.2010)

Bis 14. Juni