Die Bezeichnung "kafkaesk" ist in der Vergangenheit schon öfter strapaziert worden, um das in Österreich geltende Asyl- und Fremdenrecht zu charakterisieren. Aber nie zuvor war das so zutreffend wie jetzt: Die 2010 in Kraft getretene Novelle einer Rechtsmaterie, die auch schon vorher unübersichtlich genug war, hat die Regeln, die "Fremde" befolgen müssen, in einem Ausmaß kompliziert, dass es der Willkür nahekommt. Sie macht es den Betroffenen, die oft nicht eben gesetzeskundig sind, schwer bis unmöglich, alle Bedingungen zu erfüllen.

Das gilt vor allem bei den Regeln für "Fremde", die bereits ganz unten, nämlich in der Obdachlosigkeit, angelangt sind. Das Gesetz, das den herrschenden politischen Willen ausdrückt, sieht dutzende Konstellationen vor, die eine Grundlage dafür bieten, sie in Schubhaft zu bringen. Doch wenn zum Beispiel der aktuelle Konflikt um die polizeilichen Registrierungen ins Skurrile abzugleiten scheint, weil Polizisten und Rechtsvertreter um Bestätigungen für den Registrierungswillen vorsprechender "Fremder" feilschen, so zeigt das vor allem eins: dass auf die Rechtsgrundlage inzwischen kein wirklicher Verlass mehr ist.

Das wiederum birgt das Risiko, dass unversehens grundlegende Rechte außer Kraft gesetzt werden. Politisches Einschreiten ist überfällig, doch die Reise geht ja - Stichwort Anwesenheitspflicht von Flüchtlingen im Erstaufnahmezentrum - immer noch weiter in Richtung Verschärfung.(Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe 7.6.2010)