Das, was den Menschen ausmacht, ist aus der Perspektive der Täter verborgen: Mahnmal von Dorothee Golz in Maria Gugging.

Foto: R. Ferrigato

Maria Gugging - Verwitternd und verrostend liegt ein Container in der grünen Wiese vor dem ehemaligen Krankenhaus für Neurologie und Psychiatrie. Aufgebockt und geöffnet wirkt die Stahlbox eher fragil als stabil; sich der Vergänglichkeit und dem Verwachsen mit der Natur hingebend. Nadeln fallen hinein, im Herbst sammelt sich Laub. "Ein Container kann keiner bestimmten Zeit und keinem Ort zugeordnet werden, so wie Verbrechen an jedem Ort und zu jeder Zeit solche bleiben," sagt Künstlerin Dorothee Golz. Sie hat das Memorial für Opfer der NS-Medizinverbrechen gestaltet.

Die Gugginger Anstalt - auf deren Gelände heute das Institute of Science and Technology Austria untergebracht ist - war eines der Zwangseuthanasiezentren gegen sogenanntes "lebensunwerten Leben" der Nationalsozialisten: Zwischen November 1940 und Mai 1941 wurden insgesamt 675 Personen von dort nach Schloss Hartheim bei Linz gebracht und vergast. 116 davon waren Kinder und Jugendliche. Bis Kriegsende ereigneten sich in Gugging grausame Medizinverbrechen: So wurden etwa 400 Menschen mit Gift und einem umgebauten Elektroschockapparat ermordet.

Oft sei Zeitlosigkeit ein wichtiges Kriterium für Mahnmäler, sagt Mumok-Direktor Edelbert Köb, der der Wettbewerbsjury vorsaß. Bei Golzs sensiblem Entwurf war es aber gerade das "poetische Zeichen der Vergänglichkeit", also die Tatsache, dass Aspekte von Zeit und Erinnerung in die Arbeit integriert sind, die den Ausschlag gab. Darüber hinaus wollte man niemanden aussuchen, der typische "Denkmalklischees bedient" oder sich in "Schrift und architektonische Zeichen flieht" .

Golz wollte einen Raum schaffen, der sowohl Opfer- als auch Täterthematik enthält: die hydraulischen Arme, die den Container in dramatische Schräglage bringen, versinnbildlichen die technische, anonyme Seite der Morde. Das Innere verweist auf das, was den Menschen ausmacht. Unter anderem mit einer Kette von Kugeln: Einige dieser Lebensbänder sind zerschnitten, sodass die Existenz zerspringt und am Boden zerrinnt. Eine Metapher für das unerwartet geendete Leben.

Ein starkes, trauriges Bild, dem Golz über die geöffnete Tür Hoffnung verleiht. Der Blick richtet sich gen Himmel, dorthin entweicht, was Menschen ausmacht. Und von dort dringt auch Licht und Leben ein. "Sogar das Mondlicht fängt sich in den Kugeln." (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 09.06.2010)