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Berlin/Luxemburg - Der deutschen Kanzlerin Angela Merkel schlägt massive Kritik entgegen. Nicht nur die Opposition und Gewerkschaften, sondern auch Teile der CDU und die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann, rufen zum Widerstand gegen das am Montag präsentierte Sparpaket auf. Dieses sieht bis 2014 Einsparungen von 80 Milliarden Euro vor.

Die IG Metall kündigte in einer Resolution an, ihre Mitglieder gegen die "ungerechten Sparvorschläge" der Koalition zu mobilisieren. "Der gesellschaftliche Kampf hat begonnen" , sagt Michael Sommer, der Vorsitzende des Der Protest richtet sich vor allem gegen Einsparungen bei Langzeitarbeitslosen. Eine "soziale Schieflage" des Pakets sieht auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU). Er will diese durch Steuererhöhungen ausgleichen und "über den Spitzensteuersatz noch einmal reden."

Gegen die geplante Luftverkehrsabgabe, die für Abflüge in Deutschland fällig wird, wehrt sich der Weltluftfahrtverband IATA: Eine Steuer schaffe zusätzliche Probleme, sie wird die Wirtschaft schwächen.

Deutscher Alleingang

Die schwarz-gelbe Koalition bemühte sich am Dienstag, den Vorwurf zu entkräften, sie habe bei ihrem Sparpaket zwei Milliarden Euro pro Jahr an Einnahmen durch eine Finanztransaktionssteuer (FTS) bereits eingeplant, obwohl diese Steuer international nicht durchsetzbar sei. CSU-Vorsitzender Horst Seehofer deutete in Berlin an, Deutschland könnte einen nationalen Alleingang wagen. Zunächst aber wolle sich die Regierung für eine internationale Lösung einsetzen. "Wichtig ist die Reihenfolge" , sagte Seehofer.

Österreichs Finanzminister Josef Pröll zeigte sich vom Plan der Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Deutschland ab dem Jahr 2012 am Rande des EU-Ministertreffens in Luxemburg sehr angetan: "Es hat in der G-20 der wichtigsten Industriestaaten sicher einen Rückschlag gegeben, aber das gilt nicht für Europa" , sagte er auf eine Frage des Standard, "mit der Perspektive 2012 sind wir auf dem Weg" . Persönlich würde er das Jahr 2011 bevorzugen, "wir sind zeitlich die Frontrunner" .

Allerdings sehe er nicht, dass man einen nationalen Alleingang wagen könnte. Pröll: "Je früher, desto besser" , sei die Devise für Europa, denn die Finanztransaktionssteuer sorge "für Transparenz und Geldfluss, um das auch einmal festzuhalten" .

Dass Deutschland beim Sparpaket mehr zusätzliche Steuereinnahmen als Einsparungen vorsieht, irritiert Pröll nicht. Österreich liege mit dem Verhältnis von 60:40 von Ausgabenkürzung und neuen Steuern "richtig, wer an der Steuerschraube dreht, der kaschiert nur ein Ausgabenproblem."

Massenproteste

In Kopenhagen demonstrierten am Dienstag knapp 40.000 Dänen gegen Sparmaßnahmen der Regierung, vor allem gegen massive Kürzungen beim Arbeitslosen- und Kindergeld. Tausende Menschen gingen auch in Spanien wieder auf die Straße - in Madrid sollen es bis zu 75.000 gewesen sein. (bau, tom, DER STANDARD, Printausgabe, 9.6.2010)