Man muss Kinder in die Gestaltung ihres Lebensraums einbinden, so der Tenor bei der Debatte "Über Raum sprechen". Im Bild: der Aktivspielplatz Rennbahnweg.

Foto: Paul Weihs/MA 18

Wien - "Ich mag neue Häuser nicht. Auch wenn sie, wie das Passivhaus, umweltfreundlich sind. Alte Häuser mit Außenverzierungen gefallen mir viel besser", erklärt Emil (9). In der Stadt wohne er gerne, weil hier auch seine Freunde daheim sind: "Das ist das Zentrum für mich."

Im Rahmen der Architekturtage 2010 konnten Kinder und Jugendliche ihren Ideen beim Projekt "Was schafft Raum?" Ausdruck verleihen. Im Wien-Museum am Karlsplatz begaben sie sich auf die Suche nach dem idealen Lebensraum und entwarfen Modelle, um ihre Einfälle sichtbar zu machen. So türmten sich in der Eingangshalle Schachteln jeder Größe übereinander und bildeten lebensgroße, begehbare Häuser.

Doch nicht nur die optimale Wohnsituation stand im Fokus der Teilnehmer. Auch zu kleine Spielplätze oder der Lärm in der Großstadt erregten ihre Gemüter. "In Wien gibt es viel zu viele Autos, und es wird überall gebaut", beklagt Emma (10).

Ziel des Projekts sei es, dass sich Kinder die Kompetenz zur Mitbestimmung ihres Lebensraums aneignen, erklärt Projektleiterin Sabine Gstöttner zum Auftakt der Debatte "Über Raum sprechen", moderiert von Standard-Architekturjournalist Wojciech Czaja.

Warum sich die Stadt Wien dieses Themas annehme, liegt für Franz Kobermaier, Leiter der MA 19 (Architektur und Stadtgestaltung), auf der Hand: "Wir wollen Bewusstsein dafür schaffen, spielerisch damit umzugehen. Denn Raum hat auch mit Beziehungen zu tun. Und vielleicht kann man dadurch auch mit Politikern einen guten Umgang finden."

Es gehe bei solchen Projekten jedenfalls nicht darum, kleine Architekten heranzuzüchten, erläutert Barbara Fellner von der Architekturstiftung Österreich. Die Erziehung zur Mündigkeit stehe im Vordergrund. "Immerhin gibt ein Großteil der Menschen das meiste Lebensgeld fürs Wohnen aus - ohne vorher zu wissen, was die eigenen Bedürfnisse sind. Hier müssen wir ansetzen."

Jutta Kleedorfer von der MA 18 (Stadtentwicklung und Stadtplanung) wirft ein, dass es nicht genüge, die Kinder um ihre Meinung zu fragen: "Das ist nicht Partizipation. Man muss sich auf Augenhöhe mit ihnen begeben und sie in Planungsprozesse einbinden."

"Könnte dabei die abgehobene Sprache der Architekten eine Barriere schaffen?", wendet sich Czaja an Kobermaier. "Natürlich. Daher ist es ratsam, dass die Architekten einmal mehr zu ihrem Stift greifen und zeichnen, anstatt zu reden", reagiert dieser lachend.

Schulbau spiegelt Lernerfolg

Für Kinder sei es jedenfalls sehr wichtig, am öffentlichen Raum teilnehmen zu können, betont Richard Krisch vom Verein Wiener Jugendzentren. "Sie erleben es als ganz schlimm, wenn es Wegweisungen und keine Möglichkeit zur Teilhabe gibt." In den Schulen sei das Thema aber noch nicht angekommen, was man auch am Schulbau sehen könne. "Im 10. Bezirk bildet Schularchitektur das ab, was den Jugendlichen unterstellt wird: nämlich dass sie sich kein Wissen aneignen können. In anderen Bezirken gibt es helle, großflächige Musterschulen, wo man natürlich leichter lernt."

Dass Architektur oft als das "abstrakte Große" wahrgenommen wird, das mit der eigenen Lebenswelt nichts zu tun hat, kritisiert auch Fellner. "Das ist ein Problem, weil man sich der Architektur ja nicht entziehen kann."(Bettina Reicher/DER STANDARD, 9.6.2010)