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Wiltrut Stefanek ist selbst seit 15 Jahren HIV-positiv.

Foto: Archiv

"Euch geht es doch gut. Ihr habt Medikamente, was wollt ihr mehr?" Diesen oder ähnliche Sätze hören HIV-Infizierte in Österreich laut Wiltrut Stefanek immer wieder von verschiedenen Seiten. Trotz Life Ball und Welt-Aids-Konferenz in Wien sei das Thema HIV anscheinend noch zu wenig präsent in der Öffentlichkeit. Stefanek ist die Mitbegründerin des "Netzwerks Frauen & Aids", einem Zusammenschluss aus Frauen, die mit dem HI-Virus in Verbindung stehen.

Nicht nur HIV-positiven Frauen beim Netzwerk

Dabei müssen die Frauen, die mitwirken, nicht zwingend selbst mit dem Virus infiziert sein, sondern haben oftmals Angehörige, die an AIDS erkrankt sind oder den Kampf bereits verloren haben. Manche arbeiten in den unterschiedlichsten Bereichen wie z.B. Aids Hilfe, Medizin, Pharma, etc. und kennen die Wünsche und Sorgen der Menschen mit HIV deshalb aus ihrem Alltag. Mittlerweile besteht das Netzwerk aus 20 bis 25 Frauen, die in ständigem Mailverkehr miteinander stehen und sich einmal im Monat zu treffen und zu thematischen Schwerpunkten diskutieren oder sich austauschen. Das Netzwerk ist für alle interessierten Frauen jederzeit offen.

Mitbegründerin ist selbst HIV-positiv

Stefanek ist 40 Jahre alt und selbst HIV-positiv. Seit 15 Jahren lebt sie mit dem Virus. Ihr Mann hatte sie damals angesteckt und zehn Jahre lang verschwiegen, dass er selbst HIV-positiv ist. Als Stefanek dann von der Infektion erfuhr, ließ sie sich testen. Im Jahr 2008, nachdem sie eine Selbsthilfegruppe leitete, sagte sie "Schluss aus, jetzt machen wir Nägel mit Köpfen" und setzte sich mit der Aids-Hilfe in Verbindung. Die Vereinigung unterstützte Stefanek schließlich und so besteht der Zusammenschluss unter den Frauen schon seit zwei Jahren. Das wichtigste Ziel ist ein Bewusstsein für die Krankheit in der Öffentlichkeit zu schaffen. Deshalb organisiert das Netzwerk immer wieder Podiumsdiskussionen, Veranstaltungen und wird auch bei der Internationalen-Aids-Konferenz im Juli in Wien vertreten sein.

Nebenwirkungen der Medikamente bei Frauen verstärkt

Warum es ein eigenes Netzwerk für Frauen & Aids in Österreich gibt? Noch immer gibt es keine frauenspezifische Forschung im Bereich des Virus und die Dosierung der meisten Medikamente wird ausschließlich an Männern erprobt. "Dabei funktioniert der Körper einer Frau ganz anders", sagt Stefanek. Zwar kenne sie niemanden in ihrem Bekanntenkreis, der eine Überdosierung erlitten hätte, aber die "extreme Dosierung kann sicher die Nebenwirkungen der Medikamente verstärken". Dabei müsste man zwischen kurzzeitigen Nebenwirkungen wie Kopfweh, Übelkeit, Durchfall oder Hautauschlag (Dauer: zwei bis vier Wochen) und langzeitigen Nebenwirkungen wie Fettumverteilungsstörungen, Herz- und Kreislauferkrankungen und Leberschäden unterscheiden.

Ärzte diskriminieren immer wieder HIV-positive Patientinnen

Zurzeit arbeitet das Netzwerk an einer Erhebung unter Frauen, die mit dem HI-Virus infiziert sind, um die Probleme, Sorgen und Wünsche der Patientinnen herauszukristallisieren und gegebenenfalls Umstände verbessern zu können. Laut Stefanek sei es nämlich noch immer so, dass "HIV-positive Frauen anonym leben und sich nicht outen". Das hänge damit zusammen, dass sie nach einem Outing sozialen und auch medizinischen Diskriminierungen ausgesetzt seien. "Es gibt noch immer Ärzte, vor allem Frauenärzte, die einer HIV-positiven Frau einen anderen Arzt empfehlen oder komisch und abwertend reagieren", sagt Stefanek, "Nur weil ich HIV-positiv bin, bin ich doch kein Mensch zweiter Klasse."

Patienten verleugnen oft die Krankheit

Den Fall einer HIV-infizierten Mutter, die sich zurzeit vor einem Grazer Gericht wegen Körperverletzung verantworten muss, weil sie ihrem ebenfalls HIV-positivem Kind die Behandlung verweigerte und Aids als "Lüge" bezeichnete, sieht Stefanek als "schlimm". Es gäbe auch in Wien Menschen, die sich ihrer Krankheit nicht stellen wollen. Aber auch solche, die Aids erkannten und erst nach jahrelanger Behandlung die Medikamente absetzen und sich dem Virus wieder verschlossen. "Eine meiner Freundinnen wählte diesen Weg, ich denke, dass sie aus Verzweiflung die Krankheit verleugnet hat", erzählt Stefanek und setzt nach: "Das hat sie mit dem Leben bezahlt". Um solchen Menschen zu helfen, müsse man ihnen einfach Geduld gegenüberbringen und dürfe nicht sagen "du musst die Tabletten nehmen". Vielmehr müsse man ihnen klar machen, dass "sie kostbare Zeit verspielen und sie zwingen sich in den Spiegel zu schauen, um zu erkennen, dass sie krank sind". (Bianca Blei, derStandard.at, 9.6.2010)